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GESCHOSSEN UND GESTELZT

■ Der Architekt Paul Baumgarten in der Akademie der Künste

Seit geraumer Zeit beschäftigt sich die Akademie mit der Architekturgeschichte der Nachkriegsära und der Zeit des Wirtschaftswunders. Vor einigen Monaten präsentierte die Bauabteilung eine museale Hommage an Sep Ruf. Einem seiner Zeitgenossen gilt die derzeitige Ausstellung: Paul Baumgarten wird mit seinem Gesamtwerk präsentiert.

Im Zusammenhang mit dieser Ausstellung wird der Architekt Baumgarten als Berliner Baukünstler benannt. Wieso es zu dieser lokalen Anspielung kommt, wird nicht sonderlich dargelegt. Der Sitz des Büros (in Berlin natürlich) kann es nicht sein. Das bauliche Wirken für die Stadt vielleicht schon eher. Wie jeder renommierte Architekt kann Baumgarten auf realisierte Projekte bundesweit verweisen, den Neubau des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe oder Unibauten in Tübingen zum Beispiel. Sein Arbeitsschwerpunkt war Berlin, egal, ob es sich um kleine Eigenheime oder Großprojekte wie die Bewag-Erweiterung handelte.

Baumgarten, im Jahr 1900 in Ostpreußen geboren, kam zum Ende seines Studiums nach Berlin, und arbeitete anschließend im Büro Mebes, einem der bekanntesten Architekten dieser Zeit. Nebenher beteiligte er sich, wie mehrere seiner großen Kollegen (Mies, Taut, Wagner) an den berühmten Architekturwettbewerben „Hochhaus Friedrichstraße“ und „Alexanderplatz“, die der berstenden Innenstadt der preußischen Metropole neue Schlaglichter verleihen sollten. Außerdem realisierte er kleine Objekte, erste Versuche eigenständiger Arbeit im Norden und Süden Berlins. Ähnlich wie Egon Eiermann, stand er mit der braunen Macht und der von ihr verordneten Ästhetik auf Kriegsfuß. Er wurde nicht ins Exil gezwungen, ging auch nicht „freiwillig“, doch mußte er seine freiberufliche Tätigkeit aufgeben. Bis 1945 arbeitete er bei einer großen Baufirma als Chef der Planungsabteilung.

Die Bauten, auf die sich sein Renomee als Architekt stützt, stammen hauptsächlich aus den fünfziger Jahren, wie etwa der Umbau des „Hotels am Zoo“. Baumgarten ließ einen zweigeschossigen Überbau stelzenartig über das bestehende Gebäude mit seiner historisierenden Fassade setzen. Durch die Stützen führte er die Baulast der neu errichteten Stockwerke auf die Fundamente ab, ohne den alten Bau zu belasten. Ingenieurtechnisch eine geniale Leistung. Er bemühte sich, die Fassadengestaltung kontrastierend zum Vorhandenen mit schmalen Zwischenstützen und großflächigen Fenstern auszuarbeiten. (1950-1956) Der Ausbau erfolgte ohne Beeinträchtigung des als Hotels genutzten Gebäudes.

Ab 1949 begann er mit der Neuplanung eines Konzertsaals für die Hochschule der Künste in der Hardenbergstraße. Vor den rechteckigen Grundriß des Saales mit einem leicht parabolisch gekrümmten Dach setzte er eine lichte, zweistöckige Glasfassade. Unterbrochen wird der durchlässige und einladende Charakter des Foyers durch die notwendigen konstruktiven Elemente der Stützen und Träger aus Stahlbeton. Das Flachdach des vorgezogenen Eingangsbereichs überträgt die gravitätische Breite in den eigentlichen Saalbau mit dem höheren Kupferdach. Die Innendecke des Saales wurde mit Holzprofilen, die segmentartig die Dachwölbung aufnehmen, ausgekleidet. Die Dauernutzung als öffentliche Konzertstätte spricht für die akustische und optische Qualität des Gebäudes.

Die nächsten Jahre seiner Tätigkeit kann man getrost als „Eternit-Periode“ bezeichnen. Für die Firma Eternit baute er nacheinander verschiedene Projekte. Zunächst entwarf er für die Firma ein Gästehaus (1955). Im Zuge der Interbau steuerte er im Hansa-Viertel das sogenannte „Eternithaus“ dem internationalen Architektenwettstreit bei (1956). Als letzten Teil der baulichen Dreierkombination leitete er den Generalausbau des Firmengeländes. Selbstverständlich hatte sich die gesamte Produktpalette des Faserzementproduzenten in der baulichen Gestaltung niederzuschlagen. „Wes Brot ich eß, des Lied ich sing.“ Eine enge Beziehung, fast Abhängigkeit von industriellen Auftraggebern, für die Baumgarten Büro- und Verwaltungsgebäude plante, war kennzeichnend für diese Phase (das nicht realisierte Bürohaus Gerling und das Haus der Ruhrkohle). Im späteren Verlauf seines Arbeitslebens baute er vermehrt für die öffentliche Hand. Neben den erwähnten Objekten projektierte er den Wiederaufbau des Reichstagsgebäudes, wo er nochmal sein klassisches Formenspiel von großen Glasflächen und schmalen Stahl- bzw. Stahlbetonkorsetts ausnutzte.

Als Städtebauer und Stadtplaner betätigte sich Baumgarten vor allem nach dem Krieg. Die Entwürfe für die zerstörten Städte mit ihren freigebombten Innenbereichen hinterlassen einen enttäuschenden Eindruck. Baumgarten ging weder auf die topographischen Gegebenheiten ein oder nahm auf noch Bestehendes Rücksicht, noch verstand er es, die städtebaulichen Aspekte des Neuen Bauens der zwanziger Jahre, dem er nahestand, in seine Planung zu übertragen. Ideenlose Zellenbauweise, wie sie typisch wurde in den zwei Jahrzehnten nach dem Krieg, wechselte mit vielgeschossigen Punkthochhäusern ab. Erst in den siebziger Jahren versuchte er, Wohnkomplexe als langgestreckte Gebäude mit gestaffelter Höhe zu variieren, aber auch da hielt er sich im Rahmen des städtebaulichen Zeitgeschehens.

Die Ausstellung zeigt das Gesamtwerk im Querschnitt mit Architekturphotos und Originalplänen. Akribisch genau wird das Werkverzeichnis im Katalog protokolliert. Interessant für alle Revivalfans der fünfziger Jahre dürfte der Katalog -Essay von Dieter Hoffmann-Axthelm über die Architektur der fünfziger Jahre sein. Ein Besuch der Ausstellung lohnt sich, weil man die Entstehung der Berliner Bauten nachgezeichnet sieht, denen man beim alltäglichen Gang durch die Straßen begegnet.

mosch

„Paul Baumgarten“ in der Akademie der Künste, Hanseatenweg 10 im Tiergarten, täglich bis 31.Juli.

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