: Sommerloch Salzgitter
■ Erfaßt lieber die Umwelttäter!
Das innenpolitische Sommerloch bietet keineswegs nur gähnende Leere, sondern oft Blicke in die Vergangenheit der Aktualität. Da regen sich beispielsweise die antikommunistischen Saurier. So macht jetzt die „Zentrale Erfassungsstelle“ in Salzgitter für Gewaltakte in der DDR, jenseits der Mauer als „Institution des Revanchismus“ anerkannt, wieder einmal Schlagzeilen. Niedersächsische SPD -Städte haben sich in Partnerschaftsverträgen mit DDR -Kommunen gegen die Zentralstelle ausgesprochen. Die CDU warnt prompt und der FDP-Rechtsausleger Engelhard - das Sommerloch ist schließlich seine Chance - verteidigt sofort das antikommunistische Relikt.
Diese gesamtdeutsche Schrebergarten-Kolonie: Teltschik, Kohl-Berater, verteilt Perestroika-Zensuren und erklärt, daß Honeckers Republik leider nicht in die Gegenwart Gorbatschows versetzt werden kann. Andererseits verteidigt die CDU erregt eine Institution, deren Sinn ihr Amtsleiter, Oberstaatsanawalt Retemeyer, vor zwei Jahren so beurteilte: „Unsere juristische Ausbeute ist gleich Null“. Laut Grundgesetz darf die Bundesregierung keine Hindernisse für die Wiedervereinigung fördern. Eine Institution, die für den Wiedervereinigungsfall Strafandrohung für Tausende von DDR -Bürgern bedeutet, wäre natürlich ein Hindernis. Aber das gesamtdeutsche Strafbedürfnis ist umso heiliger, je mehr die DDR dagegen ist. Eben Schrebergarten: bevor ich meine Edeltanne beschneide, sollten Sie erst mal ihre Fichte beschneiden!
Solange es solche Institutionen wie die Zentralstelle gibt, solange rechtsstaatliche Kritik an der DDR mit gesamtdeutschem Anspruch betrieben wird, wird Schrebergarten -Krieg betrieben. Eine wirksame politische Intervention wäre es, wenn diese Zentralsstelle umgewidmet würde, als Zentralstelle für Umweltverbrechen. Vielleicht dürften sich dann die Staatsanwälte einer höheren „juristischen Ausbeute“ erfreuen.
Klaus Hartung
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