: Asbest im Stundenplan
■ Die Asbestsanierung in den Schulen dauert an / Umbaumaßnahmen sind teuer, und auf Ersatzstoffe konnte man sich noch nicht einigen
Am Montag kehren die Berliner SchülerInnen aus den Sommerferien in ihre Schulen zurück. Zum Teil wurden die Gebäude in den Ferien wegen Asbest saniert, zum Teil sind die Arbeiten noch in Gang. In der Kreuzberger Ossietzky -Schule gehen Eltern, Lehrer und Schüler deshalb bereits auf die Barrikaden. Die Asbest-Sanierung sei zwar „toll“, meint ein Lehrer, deren Folgen jedoch seien „eine Katastrophe“: Der Schulbetrieb werde auseinandergerissen, das Schulmaterial liege noch „verseucht“ in dem alten Gebäude. Die taz recherchierte, was den Schülern und Lehrern in den anderen Asbest-Schulen bevorsteht.
Auch zu Beginn des neuen Schuljahres ist noch unklar, wie die Sanierung der fünf am schwersten belasteten West -Berliner Asbest-Schulen konkret aussehen soll.
„Gut in der Zeit“ seien die zuständigen Haupt- und Bezirksverwaltungen bei der Vorbereitung ihrer Sanierungskonzepte, meint Klaus Wende von der Senatsbauverwaltung. Unstrittig ist zur Zeit aber lediglich, daß im Herbst mit der weitgehenden Demontage der Neuköllner Otto-Hahn- und der Tempelhofer Carl-Zeiss-Schule begonnen wird, den ersten zwei der insgesamt fünf Asbestschulen. Etwa ein Jahr ist für den Teilabriß und die Entfernung des gesundheitsschädigenden Spritzasbests veranschlagt. Umstritten ist jedoch bereits, welche Ersatzstoffe verwendet werden sollen.
„Es gibt genügend Ersatzstoffe für Spritzasbest“, betont Klaus Wende. Mineral- und Glasfaser-Spritzmassen werden überwiegend genannt. „Nach dem derzeitigen Stand des Wissens sind diese Substanzen unproblematisch“, erklärt Wende. Sie seien jedoch, so Thomas Schwilling, Umwelt-Experte der AL -Fraktion, bislang kaum auf Giftigkeit und sonstige Gesundheitsgefahren für den Menschen untersucht worden. Immerhin wurde schon 1983 bei einem VDI (Verein Deutscher Ingenieure)-Kolloquium festgestellt, daß Glasfasern im Organismus Geschwülste bilden können und Mineralfasern zum Teil zellschädigend sind. Skeptisch beurteilen auch die für drei der Asbest-Schulen zuständigen Baustadträte die vom Senat favorisierten Ersatzspritzmassen zur Ummantelung der Stahlträger. Da sei „Vorsicht angeraten“, erklärt Wolfgang Krueger (CDU), Baustadtrat in Tempelhof. So weit wie möglich will er den Brand- und Schallschutz durch - gesundheitlich unbedenkliche - Gipsplatten sicherstellen.
Während demnächst die Sanierungsprojekte europaweit ausgeschrieben werden, beginnt für die Schüler der Start ins Winterhalbjahr in den Ersatzgebäuden. „Noch nicht ganz fertiggestellt“ sind allerdings, so Tempelhofs Volksbildungsstadtrat Wowereit (SPD), die Pavillons für die Carl-Zeiss-Schüler. Mit Klassenfahrten und Betriebspraktika sollen die Wochen bis zum Bezug der Räume teilweise überbrückt werden.
In Neukölln sind die letzten Schlußabnahmen für die Ersatzgebäude der Otto-Hahn-Schule dagegen noch gestern erfolgt. Zwei Neuköllner Schulen, in denen nur wenig Spritzasbest verbaut worden war, können sogar bereits wieder öffnen: die Clay- und die Heinrich-Mann-Schule. Während die Mann-Schule schon am Montag wieder öffnet, wird es für die SchülerInnen der Clay-Schule allerdings noch weitere drei Wochen dauern. Die Mensa muß hier noch vollständig von übriggebliebenen Fasern gereinigt werden. Für Baustadtrat Branoner war die Sanierung in beiden Schulen ein Erfolg: Bei Kontrollmessungen fanden sich maximal gut 200 Asbestfasern im Kubikmeter Luft. Der Richtwert des Bundesgesundheitsamtes empfiehlt „deutlich unter 1.000“.
Ungeklärt ist, wie der anfallende Spritzasbest - die Gesamtmenge ist nicht bekannt - am sinnvollsten „entsorgt“ wird. In Säcken soll das abgesaugte Material zwischengelagert werden, bis es in Containern auf eine DDR -Sondermülldeponie transportiert wird.
Thomas Schwilling kritisiert, daß mit Asbeststaub kontaminiertes Schulinventar nicht sachgerecht behandelt wird. Die schädliche Fracht müßte, so merkt er an, in Behältern hermetisch abgeschlossen werden, damit keine Fasern nach außen dringen können. „Tatsächlich werden jedoch die sonst für den Hausmülltransport genutzten Container verwendet.“
Gudrun Giese
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