: Fluß: „Bin kein SPD-Versorgungsfall“
■ Bewerbungspläne des Bürgerschaftsabgeordneten und SPD-Medienexperten für den Posten des Fernsehdirektors umstritten: RB-Intendant „redet viel“, Rundfunkrats-Vorsitzender befürchtet „kontroverse Debatten“, Redakteursausschuß „not amused“
hier bitte das Foto
mit dem Mann vor
dem Fahrrad
Offiziell blieb der Sender gestern stumm. Fernseh -Programmdirektor Hans-Werner Conrad konnte sich zu den Überlegungen des SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Manfred Fluß, sich um seine Nachfolge zu bewerben, nicht äußern. Conrad weilt dienstlich außer Landes. RB-Intendant Klostermeier wollte sich nicht äußern zu der Aussicht, mit Fluß möglicherweise einen Parteipolitiker an die Spitze eines unabhängigen Senders zu bekommen.
Nicht einmal ein Gespräch mit dem Bremer CDU-Vorsitzenden Bernd Neumann über die Fluß-Kandidatur wollte Klostermeier bestätigen. Während Neumann sich an ein solches Gespräch erinnert und dabei erfahren haben will, Klostermeier habe Fluß seine Bewerbungs-Gedanken ausreden wollen, war vom Intendanten nur zu erfahren: „Ich rede mit vielen Leuten über alles mögliche.“
Äußerst diplomatisch gab sich auch der RB-Personalrat zu den Bewerbungsplänen von Manfred Fluß. PR-Vorsitzender Werner Mauermann: „Wir haben uns mit den Namen einzelner Kandidaten noch nicht befaßt.“ Allerdings, räumte Mauermann ein, es könne schon „sehr problematisch“ wer den, wenn ein Mann ohne journalistische und medienpraktische Erfahrung an die Spitze des Senders dränge. Sicher und einig ist sich der RB-Personalrat nur über die Formalien der Neubesetzung: Die Stelle des Programmdirektors müsse ebenso wie die des Verwaltungsdirektors öffentlich ausgeschrieben werden.
Der Vorsitzende des Bremer Rundfunkrats, Helmut Claußen, erklärte frisch und ahnungslos aus dem Urlaub zurückgekehrt: „Wenn die Bewerbungspläne von Fluß keine Ente sind, wird das im Rundfunkrat sicher kontroverse Diskussionen geben.“ Einen Schritt weiter ging der Vorsitzende des RB -Redakteursausschusses, Bernhard Gleim. „I'm not amused“, benutzte Gleim eine Formulierung, in der traditionell die englische Queen die höchste Form ihres könglichen Mißbehagens zum Ausdruck bringt. Weniger majestätisch, aber in ähnlichem Sinne äußerte sich der Grüne Ralf Fücks: „Es würde der Unabhängigkeit und gebotenen Staatsferne des RB -Fernsehens sicher nicht gerade zuträglich sein, wenn ein Parteipolitiker an seiner Spitze stünde.“
Die SPD-Fraktion hatte sich schon am Montag grundsätzlich mit der Karrierelust verdienter
Genossen in öffentlichen Ämtern befaßt. Nachdem es mit Reinhard Barsuhn einen weiteren Genossen aus der Bürgerschaft in höherdotierte Ämter zieht - Barsuhn möchte gern technischer Direktor der Straßenbahn-AG werden - hatte der Fraktions-Chef „Filzgerüchten“ grundsätzlich vorgebeugt: „Die Tatsache, daß jemand jahrelang mit SPD-Parteibuch aktiv Politik macht, darf nicht dazu führen, daß ihm andere Tätigkeiten versperrt bleiben.“ Im Klartext: Barsuhn und Fluß dürfen sich mit Billigung ihres Fraktions-Chefs der freien Kon
kurrenz des Arbeitsmarkts für 10.000 bis 15.000-Marks-Posten stellen.
Fluß selbst hält sich für alles andere als „einen sozialdemokratischen Versorgungsfall“ und hat angeblich gut verschmerzt, daß Bremer Sozialdemokraten der gleichen Generation es nach 16 Jahren fleißiger Parlamentstätigkeit zu mehr als einem sicheren Abgeordneten-Mandat gebracht haben. Bürgermeister Wedemeier selbst gehört zu den Erfolgreicheren des gleichen „Dienstalters“, ebenso sein Stellvertreter Henning Scherf und der SPD
Landesvorsitzende Brückner. Für Fluß hingegen haben sich die lange gehegten Hoffnungen auf die Nachfolge von Wissenschaftssenator Franke nicht erfüllt. Als vor einem Vierteljahr ein Nachfolger für den zurückgetretenen SPD -Fraktionsvize Hermann Stichweh gesucht wurde, fiel Fluß durch. Gewählt wurde Reinhard Barsuhn. In seinem Spezialgebiet „Medienpolitik“ mußte Fluß den geordneten Rückzug antreten, als Bürgermeister Wedemeier sich qua Amt in die Zulassung von Privatsendern einmischte. Der jahrelange Kritiker
kommerziellen Rundfunks schwenkte rechtzeitig auf die SPD -Kompromißlinien gegenüber Privatsendern ein. Größter persönlicher Erfolg des Programm-Direktors-Kandidaten ohne Programm-Macher-Erfahrung in der jüngsten Vergangenheit: Fluß hat sich schnell und effektiv ins internationale Fischfuttergeschäft eingearbeitet. Neben seiner Bürgerschaftstätigkeit importiert Fluß Ameiseneier, Krebse und Garnelen aus Indien, China und Mexiko, die ein deutscher Hersteller zu Tierfutter weiterverabeitet.
K.S.
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