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SCHAUMHAFTE SCHÖNHEIT

■ „Comparserie & Co.“ zeigt „Helena“

Den Bürger des 2e Empire mochte Offenbachs Operette „Die schöne Helena“ noch vor den Kopf stoßen. Die allzumenschliche Götterwelt, die königlichen Lüstlinge in ihrer frustrierten Kriegswut signalisierten einen Mangel an Respekt für den kaiserlichen Zwurbel - und die Bärte der ehrenrührigen Armee.

Spott und Satire über die Regierenden ist heute freilich so wohlgelitten, daß sie selbst, womöglich nur sie, darüber lachen. Und mit der Operette verbindet man weniger die spitze Komik der opera buffo, von der Offenbach ausging, als sentimentale Schwelgerei in gar zu durchschnittlichen Leidenschaften. Wird sie auch noch dem kanonisierten Aufführungsritual unterworfen, erscheint sie darin tragischer noch als die tragische Oper. Das hat also für sich schon einige Komik.

Warum sollte man also nicht die kraftlos gewordene Satire neuerlicher Parodie unterziehen? Man könnte etwas von dem alten Witz zurückerobern. Vielleicht findet man auch neue Götter, die es zu höhnen lohnt. Die „Comparserie & Co.“ schuf mit ihrer „Helena“ (Fassung und Regie: Peter Lund) nach Offenbach eine Seifenoperette im doppelten Sinn. Aus der durch die Dichtung der Jahrhunderte idealisierten Schönheit Helenas wurde das Schönheitsideal des Warenparadieses: Seife. Mit eigenem Gesicht wirbt Helena für die Produkte ihres Kosmetikkonzern. Menelaos huldigt mehr als ihr der Mäuseforschung und ist auch selbst etwas zu klein geraten. So hat Paris leichtes Spiel, nicht nur in dem Dichterwettstreit, der hier zu einer Show so richtig wie aus dem Leben - pardon, dem Fernsehen - gegriffen wurde, das Rendezvous mit Helena zu gewinnen, sondern auch sie zu becircen, vielmehr zu aphrodisieren. Schließlich ist seine Beschützerin die schaumgeborene Aphrodite, deren Urteil über die schönste Frau der Welt die Werbung der „Helena-Kosmetik“ animiert. Nach sang- und klangvollem Hin und Her gelingt es Paris schließlich als Sittenpolizist getarnt, sie aus dem Kreis ihrer könig- und nächtlichen Gefährten zu entführen. Hoppla, das gibt Krieg.

Wenn einen bisweilen die Dialoge nicht so amüsieren, trösten einen die leicht umgetexteten Offenbachschen Gesänge bald darüber hinweg, die mal ins spöttisch Schräge gleiten, dann den Schmelz der Liebesarie als Schmalz enthüllen, schließlich zu freudigem Chorgesang sich einen, dessen Stimmgewalt sich stets in schlag- oder spurtkräftiger komödiantischer Aktion zu entladen scheint.

„Helena“ ist sicher kein Stück der sinnigsten oder aktuellsten Zeitsatire, mit der uns freilich auch der notorische Kabarettismus meist verschont. Ein Stück von eigenem Witz, der sich aus der liebevoll spöttischen Angriff auf die geheiligte Musik herleitet, von leichtem, nicht jedoch seichtem Humor, das im Ganzen amüsiert.

glagla

„Comparserie & Co.“ zeigt „Helena“ 12./13.8., 19.30 Uhr, und 16.-18.8., 20.30 Uhr, im Cafetheater Schalotte, Behaimstraße 22, 1-19

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