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Republikanische Elefanten in Louisiana

Parteitag der Republikaner in New Orleans: Erst die Parties, dann der Parteitag / Bush hält Kandidaten für Vizepräsidentschaft noch geheim / An den Arbeitslosen in Louisiana ist Reagans Wirtschaftsboom vorbeigegangen  ■  Aus Louisiana Stefan Schaaf

New Orleans, die Stadt im US-Bundesstaat Louisiana, mit mehrheitlich schwarzer und zu mehr als drei Vierteln demokratisch wählender Bevölkerung steht schon seit Tagen ganz im Zeichen der Reagan-Partei und ihres Wappentiers, des Elefanten. Die Rüsselviecher beherrschen die Stadt, stilisierte Elefanten hängen auf Flaggen die Autobahn entlang, Elefanten aus Kuchenteig, Stein, Pappe und sogar aus Eis im Angebot. Elefanten als blecherne Anstecknadeln zieren Blusen und Jacketts des republikanischen Parteivolks, das durch die Straßen zieht und mit lautem Ah und Oh die Elefanten in den Schaufenstern der Souvenirläden bestaunt. Warum gerade so ein störrisches und dickköpfiges Tier wie der Elefant die Partei symbolisiert, wußte jedoch kaum einer der Republikaner zu sagen. Erst ein Journalist konnte mich aufklären, daß das Wappentier auf eine Karikatur zurückgeht, mit der ein New Yorker Zeichner zu Beginn des Jahrhunderts die Partei verspotten wollte.

Ein blau-weiß-roter Elefant in fast natürlicher Größe, aus Plastik und innen voller Luft, hockt gar oben auf dem Dach des Hyatt-Hotels, damit das Parteivolk, das ihn von der halben Stadt aus sehen kann, nicht vergißt, warum es nach New Orleans gekommen ist. Gestern begann hier der Parteitag der Republikaner, auf dem die Wahl des US-Vizepräsidenten George Bush zum Kandidaten für die Präsidentschaftswahl am 8.November ansteht. Am Wochenende ging es der reaganistischen Basis aber vor allem erst einmal um ihr Vergnügen. Am Freitag schon feierten viele im Stadtpark, am Samstagabend lud die Lokalzeitung zu einem monströsen Gelage, bei dem sich mehrere tausend Medienvertreter die Bäuche mit Shrimps vollstopften und den „Neville Brothers“ lauschten. Die meisten der knapp 2.300 Parteitagsdelegierten haben Freunde und die Familie nach New Orleans mitgebracht, so daß die Hotels im Umkreis von dreißig Meilen völlig ausgebucht sind.

Der Stadtverwaltung von New Orleans ist das nur recht, der bis Donnerstag angesetzte Parteitag ist für sie ein einwöchiges Tourismus-Werbeprogramm, das nicht nur weit über 100 Millionen Dollar in die Kassen der Hotels, Jazzclubs und Restaurants spült, sondern für die Zukunft so viel Besucherzuwachs verspricht, daß man der republikanischen Partei gar die Miete für den „Superdome“ erlassen hat. Wie ein überdimensionaler, plattgewalzter AKW-Kühlturm steht der „Superdome“, eine gewaltige moderne Betonstruktur für 80.000 Football-Fans am Rande der Innenstadt mit ihren schönen alten, von den Franzosen geprägten Häusern. In der gigantischen Halle wird am Montag Ronald Reagan seine Rede halten, am Donnerstag muß dann George Bush den Beweis antreten, daß er auch rednerisch die Nachfolge Reagans antreten wird.

Erst zum Ende des Parteitags will Bush bekanntgeben, wen er zu seinem Nachfolger als Vizepräsidenten erkoren hat. Die Ansteckbutton- Verkäufer in New Orleans machen einen Versuch, ihm die Wahl zu erleichtern, denn sie ermitteln genau, welche Paarung auf ihren Blechknöpfen sich am besten verkauft. Der Stand am Samstag abend: mit 41 Prozent klar in Führung liegt das Ticket Bush-North, gefolgt von Bush-Dole, Bush-Kemp und Bush-Baker.

In Louisina, wo nun die republikanische Kandidatur erfolgen soll, war lange Zeit traditionell stramm demokratisch gewählt worden, im Staatsparlament trägt auch heute nur jeder sechste Abgeordnete das republikanische Parteibuch. Wer jedoch in dem ganz der konservativen demokratischen Tradition der Südstaaten verhafteten Louisiana im letzten Jahrzehnt keinen Anklang fand, das waren die Präsidentschaftskandidaten der Demokraten. 1980 und 1984 fiel der Staat an Reagan.

Die Realität in Louisiana abseits des republikanischen Parteitagstreibens hat ein anderes Gesicht: Die Armut hat Louisiana durch dieses Jahrhundert begleitet, und auch die letzten acht Jahre hat der Staat an der Mündung des Mississippi kaum etwas vom wirtschaftlichen Boom gespürt, den die Reagan-Administration auf ihre Wirtschaftspolitik zurückführt. Die Arbeitslosenrate in Louisiana liegt auch heute doppelt so hoch wie im Landesdurchschnitt.

Auf kleinen, holprigen Straßen fahren wir durch die abgasverseuchte Luft auf einen riesigen Fabrikkomplex der Chemieindustrie am Unterlauf des Mississippi zu. Mindestens ein halbes Dutzend multinationaler Chemiekonzerne haben sich hier, in der Gegend von Geismar südlich von Louisianas Staatshauptstadt Baton Rouge, angesiedelt. Das größte Unternehmen darunter ist der bundesdeutsche Chemieriese BASF. Angelockt wurden Chemiefirmen von den Ölvorkommen vor der Küste und im sumpfigen Ufergebiet Louisianas, von den günstigen Transportwegen den Fluß hinab und von den Steuervergünstigungen, die die Staatsregierung bereitwillig gewährt hat. „Äußerst profitabel“ nennt Richard Miller, ein Organisator der Öl-, Chemie- und Atomarbeitergewerkschaft OCAW die gegenwärtige Geschäftslage im Chemie-Korridor Louisianas.

Auf dem Rückweg kommen wir durch den kleinen Ort St.Gabriel, der in den letzten Jahren eine ungewöhnlich hohe Zahl von Totgeburten und von Krebsfällen erlitten hat: jede dritte Schwangerschaft endete mit einer Mißgeburt. Die örtliche Drogistin begann Fragen zu stellen und Daten zu sammeln: fast 200.000 Tonnen giftiger Chemikalien werden hier jährlich in den Himmel geblasen. Die US-Umweltbehörde EPA stellte schon in den siebziger Jahren 31 verschiedene potentiell tödliche Chemikalien in der Luft über dem Nachbarort Plaquemine fest. Doch die Chemieindustrie weist eine Verantwortung zurück.

Die OCAW, die sich mit den Umweltschützern verbündet hat, führt schon seit vier Jahren eine harte Auseinandersetzung mit dem Konzern BASF. Streitpunkt ist die 1984 erfolgte Aussperrung von 370 BASF-Mitarbeitern, die bessere Tarifverträge fordern. 200 der Arbeiter sind seit einigen Monaten ohne einen neuen Tarifvertrag wieder an die Arbeit zurückgekehrt, die übrigen versuchen anderweitig über die Runden zu kommen.

Jeden zweiten Donnerstag im Monat treffen sich die Kollegen, um die nächsten Schritte in dieser nunmehr langwierigsten Aussperrung in der US-Geschichte zu beraten. An diesem Donnerstag gibt es wenig Neues zu berichten. Eine Überprüfung der rechtlichen Begründung der Ausperrung liegt bei der US-Behörde für Arbeitsbeziehungen (NLRB) an, wenn die Gewerkschaft dort erfolgreich ist, könnte sie erstmals den Gerichtsweg gegen die Arbeitskampfpraktiken der BASF einschlagen. Das macht die OCAWler optimistisch. Außerdem wollen sie nach einem so langen Konflikt nicht die Waffen strecken. „Ein Cajun aus Louisiana läßt sich das nicht gefallen, der läßt sich nicht reinlegen“, sagt einer der Gewerkschafter mit breitem Grinsen.

Viele unter den etwa achtzig OCAW-Mitgliedern im Feuerwehrhaus von Prairieville sind Cajuns, Nachkommen katholischer Auswanderer aus Frankreich, die zu Beginn des 19.Jahrhunderts von den Briten aus Kanada vertrieben wurden und die sich dann in der fischreichen Gegend westlich des Mississippi angesiedelt haben. Die Cajuns, lange Zeit als kauzige Hinterwäldler belächelt, haben eine der eigenständigsten Regionalkulturen der Vereinigten Staaten, noch heute wird dort französisch gesprochen und vor allem gesungen.

Neuzeitliche Statussymbole des urbanen Amerikas wie Fernseher und Klimaanlage fanden unter den Cajuns keine Käufer. Mit dem Ölboom, den Louisiana in den siebziger Jahren erlebte, hatte sich dies geändert. Statt zu fischen, nahmen Louisianas Küstenbewohner besser bezahlte Jobs bei den großen Ölgesellschaften auf. Nun, da der Boom geplatzt ist, hat die Arbeitslosenrate in Louisiana wieder alte Höhen erreicht, manch ein Ex-Fischer hat sein Boot wieder flottgemacht und lebt von dem Fang von Shrimps und Fischen.

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