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Ausgangssperre in Gaza

■ Israelische Militärs setzen 650.000 Palästinenser unter Hausarrest / Unbefristete Maßnahme / 25 Palästinenser durch Schüsse verwundet

Jerusalem/Tel Aviv (ap/taz) - Die 650.000 Palästinenser, die im von Israel besetzten Gaza-Streifen leben, stehen seit Sonntag abend, 22 Uhr, unter Hausarrest. Zum dritten Mal seit dem Beginn der Intifada, des Aufstands der Palästinenser in den besetzten Gebieten, haben die israelischen Militärbehörden eine Ausgangssperre über den 360 Quadratkilometer großen Landstrich verhängt. Die Maßnahme ist unbefristet. Bevor sie in Kraft trat, öffneten die Geschäftsleute am Sonntag abend die Läden, um ihren Kunden zu ermöglichen, sich noch mit Lebensmitteln einzudecken.

Mindestens die Hälfte der betroffenen Palästinenser arbeitet in Israel. In einem von einem Militärsprecher verlesenen Kommunique heißt es: „Das Ausgehverbot bleibt bis auf weiteres in Kraft. Den Einwohnern wird nicht gestattet, Israel zu betreten. Bewohnern, die (aus Israel) von der Arbeit zurückkehren, wird das Betreten des Gaza-Streifens nur zu von den Militärbehörden festgelegten Stunden gestattet.“

Am Sonntag erlitten mindestens zwölf, nach anderen Angaben sogar 25 Palästinenser Schußwunden, als israelische Soldaten gegen Demonstranten vorgingen. Anlaß der Proteste war vermutlich der Tod von zwei Bauarbeitern aus dem Gaza -Streifen. Die Arbeiten waren in der vergangenen Woche in einer Baustellenhütte, die möglicherweise von Rechtsextremisten angezündet worden war, verbrannt. Ebenfalls am Sonntag erlitten im Gaza-Streifen sechs Israelis Brandverletzungen, als Palästinenser einen Molotow -Cocktail auf ihr Auto warfen. In der besetzten West Fortsetzung auf Seite 6

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bank wurde in der Nacht zum Montag bei Demonstrationen ein 22jähriger Palästinenser erschossen. Verteidigungsminister Rabin stellte allerdings am Montag früh klar, daß die Verhängung der Ausgangssperre nicht eine Reaktion auf ein konkretes Ereignis sei. Die Regierung habe sich ganz allgemein für eine härtere Linie entschieden, um den Bemühungen der Palästinenser entgegenzuwirken, im Rahmen der Intifada ein Lokalkomitee zur Selbstverwaltung zu etablieren. Es gehe darum, „die Infiltration lokaler Körperschaften zu stoppen“. Die Palästinenser versuchten, so Rabin weiter, das Vakuum auszufüllen, das nach der Entscheidung des jordanischen Königs Hussein, die Westbank aufzugeben, entstanden sei.

Der Verteidigungsminister kündigte noch weitere Schritte an, um den Aufstand und die Selbstverwaltungsinitiativen zu bekämpfen. So dürfen die Palästinenser in den besetzten Gebieten künftig über einen Zeitraum von zwei Monaten nur noch 1.200 Dollar von ausländischen Quellen erhalten. Überdies würden nun alle Versuche von Palästinensern bekämpft, die Kontrolle über Markt- und Exportorganisationen zu gewinnen. Rabin drückte die Hoffnung aus, daß der Oberste Gerichtshof die neue harte Linie der Besatzungsbehörden nicht durchkreuze. Er bezog sich explizit auf ein dort anhängiges Verfahren, in dem die Richter entscheiden müssen, ob die Praxis der Militärs, die Häuser von Palästinensern zu schleifen, zulässig ist. Grundsätzlich werden die Häuser zerstört, wenn ein Familienmitglied unter dem Verdacht steht, Steine oder Molotow-Cocktails auf die Besatzungskräfte oder auf Fahrzeuge israelischer Siedler geworfen zu haben.

Die harte Linie ist offenbar auch eine Reaktion auf die vom stellvertretenden PLO-Vorsitzenden Salah Chalaf erwogene Gründung einer provisorischen Regierung in den besetzten Gebieten.

thos

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