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Unerwünschtes Engagement

■ Bernd Potricks Einsatz für ausländische Inhaftierte beschert ihm einen Monat Haft / Richter sieht in Karikatur ein Druckmittel

Der für sein Engagement für ausländische Gefangene weit über den Stacheldraht der Haftanstalt Tegel hinaus bekannte Bernd Potrick ist gestern wegen Beleidigung zu einem Monat Haft ohne Bewährung verurteilt worden. Potrick, der von acht Jahren Knast noch zwei verbüßen muß, hatte dem Verwaltungsrichter Kunath eine Postkarte mit einer Karikatur des Richters geschickt. Auf der Postkarte stand unter anderem: „Kuhner ... nimmt de facto den Tod eines Kindes in Kauf, um seine Karriere zu fördern.“ Der Satz bezieht sich auf ein 1987 gefälltes Urteil gegen Potricks ehemaligen Zellenmitbewohner Ali Ayoub. Ayoub, der einen kleinen Sohn hat, wurde auf Grund dieses Urteils, an dem Kunath mitgewirkt hatte, in den Libanon abgeschoben. Durch ein Bürgerbegehren versuchte Potrick damals vom Knast aus erfolglos - die Abschiebung zu verhindern. Danach ließ er die Postkarte zeichnen und vervielfältigen.

Kunath, der gestern als Zeuge erschien, sah in der Postkarte den Versuch, die Justiz „unter Druck zu setzen“. Was den Verweis in der Karikatur auf Ayoubs Kind beträfe, so hätte Ayoub sein Kind ja nicht in den Libanon zu schicken brauchen. Kunath selbst hätte seinerzeit die Möglichkeit einer Unterbringung in einem Heim erwogen.

Richter Müller sah in der Postkarte die Grenzen der Kunst und Meinungsfreiheit überschritten. Auch wenn in der Karikatur - wie Verteidiger Hoeppner argumentierte - Kunaths Name („Kuhner“) und äußere Erscheinung „verfremdet“ wurden, sei doch erkennbar, daß es sich nur um den Verwaltungsrichter handeln könne. Zu Lasten des Angeklagten gehe auch, so der Richter, daß Potrick inhaltlich voll hinter dem Text stehe. Rechtsanwalt Hoeppner, der Revision angekündigt hat, sieht in dem Urteil eine Strafe für das Wahrnehmen demokratischer Rechte. Statt sich über Potricks humanitäres Engagement für ausländische Inhaftierte zu freuen und darin ein Zeichen der Resozialisierung zu sehen, würde seine Haft immer wieder verlängert werden.

E. K.

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