: 218-Demontage wieder mal in Bayern
Landwirtschaftliche Krankenkasse in Unterfranken demontiert §218 / Kasse zahlt nicht bei sozialer Indikation / Bayerisches Sozialministerium weiß von dieser Praxis, will jedoch nicht einschreiten ■ Aus München Luitgard Koch
Die Demontage des Paragraphen 218 wird derzeit in Bayern weiter kräftig vorangetrieben. Nachdem schon eine Prozeßlawine gegen Memminger Frauen, die eine Schwangerschaft abbrechen ließen, den Rückfall in mittelalterliche Zustände signalisierte, tut sich nun die Landwirtschaftliche Krankenkasse Unterfranken in Würzburg im Kampf gegen den Paragraph 218 hervor.
„Die Landwirtschaftliche Krankenkasse Unterfranken unterstreicht mit Nachdruck ihre klare Einstellung zur Verantwortung für das Leben und hat nunmehr beschlossen, keine Kosten mehr für Schwangerschaftsabbrüche aufgrund sozialer Indikation zu übernehmen“, heißt es in einem Rundbrief von Anfang Juli. Um dieser Entscheidung noch den Anstrich von Rechtsgültigkeit zu geben, erstellte der Hausjurist der Würzburger Krankenkasse ein Gutachten. Darin wird behauptet, daß die derzeit gültigen Rechtsnormen verfassungswidrig seien, da die „Schöpfungsordnung unabdingbar die unbedingte Achtung jedes menschlichen Lebens“ fordere.
In der Landwirtschaftlichen Krankenkasse, deren Beiträge relativ günstig sind, sind zum überwiegenden Teil Bäuerinnen versichert. Obwohl die Krankenkasse mit ihrer Weigerung illegal handelt, will sie an diesem Plan festhalten. Erst Mitte Juni dieses Jahres wies das Bundesverfassungsgericht eine Klage wegen Abtreibung auf Krankenschein zurück und betonte, daß Krankenkassenmitglieder bei einem nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch Anspruch auf Krankenkassenleistungen haben. Die Würzburger Krankenkasse Unterfranken kann sich jedoch noch sicher fühlen, solange keine betroffene Frau vor dem Sozialgericht gegen ihren Beschluß klagt.
Im bayerischen Sozialministerium weiß man von diesem rechtswidrigen Vorgehen der Würzburger Krankenkasse, will jedoch vorerst nichts dagegen unternehmen. Kein Wunder, der Freistaat geht selbst mit schlechtem Beispiel voran und verweigert seit Jahren seinen Beamtinnen die finanzielle Beihilfe bei sozialer Indikation.
Auch die kassenärztliche Vereinigung Mittelfranken versucht, Schwangerschaftsabbrüche zu erschweren. Ihr Vorsitzender, Dr. Klaus Dehler, will die Ärzte dazu zwingen, daß sie zur Überprüfung das Gutachten des Arztes vorlegen, der die Indikation ausgestellt hat. Erst dann, teilte er ihnen schriftlich mit, gibt es Honorar. Die Münchner Dozentin für Strafrecht, Monika Frommel, bezeichnete diese Einschüchterung der Ärzte „als Skandal“. Die Juristin hat im Auftrag der bayerischen Grünen, die diese beiden Fälle anprangerten, ein Gegengutachten erstellt. Vorerst hat die Kassenärztliche Vereinigung ihren erpresserischen Rundschlag zurückgezogen. Sie will abwarten, ob das in Bonn geplante Beratungsgesetz durchkommt.
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