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Polizei schweigt zu Vorwürfen

■ Leiter des Polizeieinsatzes gegen die Gladbecker Geiselnehmer schweigt zu kritischen Fragen der Journalisten / Bus hat 20 Minuten unter den Augen der Polizei gewartet, bevor er gekapert wurde

Der Chef der Bremer Kripo, Peter Möller, war Leiter des Polizeieinsatzes, als die Bankräuber mit ihren Geiseln durch Bremen kurvten, in Huckelriede den Bus kaperten und in Grundbergsee bei einem Zwischenstopp einen 15jährigen Jungen erschossen. An ihn wollten die Journalisten gestern die Frage richten, ob die Polizei wirklich alles getan hat, um das Leben der Geiseln zu schonen. Aber der Einsatzleiter blieb einsilbig und hatte auf jede Frage dieselbe Frage parat: Er könne keine Details nennen, er habe den „Sachstand von gestern“. Gleichzeitig relativierte er die Auskünfte, die er am Vortag gegeben hatte, mit den Worten: „Ich habe es nicht besser gewußt“. Und er betonte ausdrücklich, er sehe die Gefahr, sich in Widersprüche zu verwickeln: „Ich weiß nicht genau, was gestern gesagt worden ist.“

Nichts konnte und wollte er also seiner Behauptung hinzufügen, die Festnahme der Komplizin der Bankräuber auf dem Rasthof Grundbergsee sei ungeplant gewesen (vgl. taz 19.8.) Entgegen dieser Version hatten nach einer der taz zugespielten Tonband-Aufzeichnung die zivilen Polizeibeamten bei ihrer Funkzentrale angefragt, ob sie die Frau festnehmen sollten. Daß die Antwort „Ja“ gelautet hat, wollte der Einsatzleiter nicht glauben und meinte: „Diese Frage müßte an

mich gestellt werden.“ Er ist offenbar nicht gefragt worden.

Als er von der Festnahme erfuhr, habe er sofort den Befehl „freilassen“ gegeben, hatte Möller erklärt. Falls das so ist, muß er lange Minuten von der Festnahme nicht informiert worden sein. Vielleicht war er gerade mit anderem beschäftigt: Als die Lage an der Raststätte „stationär“ wurde, so erläuterte der Bremer Kripo-Chef gestern den Journalisten,

habe er mit seinem Kollegen in NiedersachsenVerhandlungen geführt, ob die Einsatzleitung von dort übernehmen werden solle.

Immer wieder hatten die Zivil-Polizisten vor Ort gefragt, ob sie die Komplizin freilassen sollten; erst nach 20 Minuten vergeblichen Wartens hatten die Bankräuber ihre Drohung ernst gemacht und eine der Geiseln, den 15jährigen Jungen, erschossen.

(Um weitere Ausreden der Poli

zeiführung unmöglich zu machen und eine Aufklärung dieser Situation zu erzwingen, veröffentlichen wir Auszüge von dem Tonband-Mitschnitt.)

Ungeklärt mußte gestern auch bleiben, warum die Bankräuber unter den Augen der Polizei des Bus kapern konnten. Der Bus kam fahrplanmäßig um 18.37 Uhr, hielt, Leute steigen aus, steigen ein. Seit 18.21 Uhr telefonierten die Bankräuber aus dem Gemüse

laden gegenüber über den Notruf 110 mit der Polizei, ein weißer Audi-Polizeiwagen stand in unmittelbarer Nähe, ein Beamter mit Fernglas beobachtete die Ladentür, der andere hielt Funkkontakt. Der Bus-Fahrer war dennoch nicht gewarnt. Da treten die Bankräuber aus dem Laden, geben einen Warnschuß ab und setzten sich in ihr Auto. Der Bus sollte weiter fahren, aber, so erklärt der Sprecher der Straßenbahn -AG, der Busfahrer habe sich „geweigert, den Weg lang zu fahren, der an dem Geiselgangster vorbei ging.“ Er wollte abbiegen, unplanmäßig.

Schließlich fährt der Bus doch vor, aber die Ampel zeigt „Halt“. Der Bus hält. Die Polizei sitzt daneben, gibt dem Busfahrer keinen Wink. Da erst, 19.00 Uhr, steigen die Bankräuber wieder aus, gehen auf den Bus zu, bedrohen den Busfahrer.

Die Grünen haben eine Debatte im Bremer Landesparlament gefordert und erklärt, die Bremer Polizeiführung habe „in einer zugespitzten Situation in der Einschätzung der Lage versagt“. Anstatt Polizeipräsenz provozierend durchblicken zu lassen und sie unter „Handlungsdruck“ zu setzen, hätte der politisch verantwortliche Innensenator vor Ort die Geiselnehmer beruhigen und Verhandlungen über ihr weiteres Fluchtverhalten führen müssen.

K.W.

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