: Verantwortung
■ Das politische Versagen bei der Geiselnahme
Auch wenn es der forsche Möllemann fordert, die Forderung ist berechtigt: Rücktritt der Innenminister Schnoor und Meyer. Freilich aus anderen Gründen, und auf die kommt es an. Möllemann spricht im Namen aller deutschen Stammtische und Sondereinsatzschwärmer. Ihr Blitzkrieg-Credo: „Früher zuschlagen.“ Doch gerade die 54 Stunden, die lange Zeit ist nicht per se verspielte Zeit, schon gar nicht für den Rechtsstaat. Vernunft braucht immer mehr Zeit.
Aber was geschah in dieser Zeit? Innensenator Meyer saß in der Einsatzzentrale. Tat er noch mehr außer Sitzen? Innenminister Schnoor betont, er sei immer informiert gewesen. Doch getan hat er nichts. Spätestens seit in Bremen der Bus gekapert wurde, war die Geiselnahme kein Polizeiproblem mehr, sondern eine politische Herausforderung. Die polizeilichen Gesprächspartner waren als Verhandler nicht mehr brauchbar. Umso dringender also, eine Verhandlungssituation herzustellen, den Geiselnehmern vertrauensfähige Personen anzubieten. Warum stand der Innensenator Meyer nicht mit Megaphon am Bus, um Verhandlungen anzubieten? Warum bemühten sich er und Schnoor nicht um ein direktes Gespräch?
Schnoor und Meyer stehen für eine liberale Innenpolitik. Worin bestand sie, als es darauf ankam? Aus bloßer Unsicherheit über Einsatzmöglichkeiten , mangelnder politischer Führung und tödlicher Hast am Schluß. Sie haben die Alternative zwischen Dilettantismus und finalem Todesschuß produziert. Er übernehme „natürlich“ die politische Verantwortung, sagte Schnoor. Aber bitte, natürlich, für den Mangel an öffentlichem Mut, zusammen mit den Geiselnehmern eine andere Lösung als die Schußwaffe zu suchen.
Klaus Hartung
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