: Bewundert, gehaßt und einsam
Für die einen war sie das „Engelsgesicht mit der eisernen Faust“, für die anderen eine Vorreiterin der Emanzipation. Marisa Bellisario, Italiens „Topmanagerin“, war eine Symbolfigur. Sie starb im August an Krebs ■ Aus Rom Raffaela Menichini
Ich habe Karriere gemacht ohne Nachahmung männlicher Modelle und habe meine Fähigkeiten benutzt, ohne als Frau auf irgendwelche mir wichtigen Dinge zu verzichten. Ich wollte eine unkonventionelle Ehe, habe Miniröcke und Maximäntel getragen, als sie in Mode waren, habe mich komplexen, aufreibenden, aber korrekten Beziehungen zu Kollegen, Mitarbeitern und Vorgesetzten gestellt.“ Marisa Bellisario in ihrem Buch „Frau und Topmanager“, einer Autobiographie voller Notizen aus der alltäglichen Arbeit und persönlicher Reflexionen über die Erfahrung einer Frau, die innerhalb weniger Jahre eine Reihe der wichtigsten italienischen Unternehmen zu leiten hatte.
Ein Vademecum fast für „Frauen auf der Karriereleiter“ und doch mehr als nur der Bericht einer der wenigen, denen der Einbruch in Italiens mehr als in anderen Ländern von Männern geprägte Welt wirtschaftlicher Führung gelungen ist: die Selbsteinschätzung einer Frau, die ihren Kampf gleichzeitig gegen eine Welt der Vorurteile und gegen die unheilbare Krankheit in ihrem Körper führt.
Am 4.August ist Marisa Bellisario an Krebs gestorben, mit nur 53Jahren, bis zuletzt aktiv in überaus schwierigen Verhandlungen - noch vom Krankenbett aus hat sie ihre Mitarbeiter dirigiert. Nur wenige Wochen trennten sie von erfolgreichen Vertragsabschlüssen zugunsten einer sicheren Zukunft ihrer Firma Italtel. Innerhalb weniger Jahre holte sie den Kommunikationskonzern aus einem hoffnungslosen Tief heraus und machte ihn zum blühenden Unternehmen.
Die Karriere Marisa Bellisarios ist noch erstaunlicher, wenn man bedenkt, daß sie sich gerade in jener Periode der italienischen Wirtschaft abgespielt hat, die als die schwierigste der italienischen Nachkriegsgeschichte gilt.
1960 promovierte sie in Wirtschaftswissenschaften an der Universität Turin, trat bei Olivetti ein und wurde dort fünf Jahre später zur Bereichsleiterin für die Produkte der US -amerikanischen „General Electrics“, die sich beim größten italienischen Elektronikkonzern eingekauft hatte. 1969 ging Marisa Bellisario zur Honeywell Information Systems Italia, kehrte aber drei Jahre danach wieder zu Olivetti zurück. Dort wurde sie mit immer wichtigeren Aufgaben betraut, und nach wenigen Jahren war die junge Frau mit dem Punk-Aussehen und dem Armani-Look Präsidentin und Aufsichtsratsvorsitzende der Olivetti Corporation of America.
1980 übernahm sie dann die Italtel mit ihren seit Jahren roten Bilanzen, eine Firma, die zeitweise nicht einmal mehr die laufenden Rechnungen bezahlen konnte. Innerhalb von vier Jahren war das marode Unternehmen saniert. Modernste elektronische Technologien wurden an Stelle der noch verwendeten elektromechanischen eingeführt - freilich um den Preis einer Reduktion des Unternehmens um 16.000 Arbeitsplätze.
Schimpfname „Bellisario“
Das „Wunder Italtel“ brachte Marisa Bellisario die endgültige Anerkennung ihrer beruflichen Fähigkeiten - und gleichzeitig auch viele Feinde. Da man ihr die Kompetenz als Managerin nicht absprechen konnte, suchte man nach anderen Wegen, dem Unmut über die starke weibliche Figur in einer rigoros männlich besetzten Welt Luft zu machen.
Dabei heftete man ihr vor allem inhumane Züge an, etwa den Vorwurf, sie sei - weil Frau - noch viel „schlimmer“ und „berechnender“ als ihre männlichen Kollegen, den Ruch, sie sei „der härteste Manager Italiens“, die „eiserne Lady des Unternehmertums“ oder „das Engelsgesicht mit der eisernen Faust“. Schimpfnamen, die mit einer gewissen Lust auf sie abgeladen wurden, bis das Wort „Bellisario“ selbst zum Negativwort wurde - mit Zielrichtung vor allem auf rebellische Studentinnen, die in ihr ein Vorbild sahen: „Paßt auf, denn für eine Frau ist es (gottlob, gottlob) nicht einfach, auf solche Ebenen vorzudringen, da muß man schon zu den 'Harten‘ gehören. Wir sind aber so demokratisch, daß wir eine von euch auch wirklich haben aufsteigen lassen.“ Damit hatte man die „Lösung“ gegen Marisa Bellisario gefunden, sie wurde gar zum guten Geschäft. Man konnte fein mit Publikationen über sie verdienen - immer unter dem Aspekt, daß sie eben die Ausnahme, ja, ein Unikum ist. Plötzlich gab es immer mehr Titelbilder mit ihr, die sie in mondäner Gesellschaft und feiner Kleidung zeigten. Bilder, die sie selbst immer mehr verabscheute; sie erkannte, was hinter all den Freundlichkeiten steckte: „Sie greifen mich nie direkt an; das wäre wohl auch zu schwierig, denn da müßten sie selbst plötzlich Ideen haben, andere als ich. Aber ich beginne mich immer einsamer zu fühlen.“
Sicher war eines jener Erlebnisse, die dieses Alleinsein noch steigerten, der Zusammenstoß mit Fiat, deren Macht -Männer die schon beschlossene Fusion zwischen der Italstat und der Fiat-Tochter Elettra (was den größten europäischen Telekommunikationskonzern ergeben hätte) platzen ließen und dies ausgerechnet an der Nominierung von Frau Bellisario festmachten: Die nämlich hatte das sozialistische Parteibuch in der Tasche, stand dem PSI-Vorsitzenden (und damaligen Ministerpräsidenten Bettino Craxi) nahe, war überdies Mitglied des Nationalkonvents der Partei - und mit ebendieser Partei hatte Fiat damals kräftigen Streit. Der Aufsichtsratsvorsitzende von Fiat sah eine gute Gelegenheit, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, die Sozialisten und die unbequeme Frau im Männergewerbe. Es war die einzige große Niederlage Marisa Bellisarios - und sie ereignete sich nicht auf wirtschaftlichem Gebiet, sondern in dem in Italien so beliebten Spiel politischer Konstellationen und im Kampf um die Aufteilung der Macht. Die Manager ließen lieber das wichtigste wirtschaftliche Geschäft der achtziger Jahre platzen, als diese Frau zu akzeptieren.
Nachrufe
Der Krieg von Fiat gegen Marisa Bellisario hörte nicht einmal mit ihrem Tod auf. Die Schlagzeile auf der ersten Seite der Fiat-Zeitung 'La Stampa‘ kündigte den Tod in besonders „sachlicher“ Weise an: „Die Bellisario ist tot.“ Der Artikel im Zeitungsinneren warf ihr dann noch die allerletzten Hinterhältigkeiten Cesare Romitis nach: „Sicher hat die eiserne Faust dieser Dame, die jeden Samstag zur Kosmetikerin ging und nicht gerne über ihr Alter sprach, nicht alle überzeugt. Die Kritik an ihr entzündete sich vor allem von Seiten der traditionellen Manager, die auch auf das öffentliche soziale Netz bauten.“
Doch die Presse-Scheinheiligkeiten kamen nicht nur von Fiat. Viele italienische Zeitungen haben sich am Tag nach dem Tod Marisa Bellisarios geradezu in Dümmlichkeiten überschlagen - Rekordhalter die Katholiken-Gazette 'Avvenire‘, deren Titel bereits das definitive Höllenurteil ankündigt: „Marisa Bellisario, Manager um jeden Preis.“ Dann gab es Stimmen, die Marisa Bellisario zum Modell für ihre Emanzipationsphilosophie machen wollen - eine Frau, die handelte wie ein Mann, eine Frau, die (was sie ja gerade abgestritten hat) mit männlichen Methoden Erfolg hatte.
So feiert sie z.B. 'Il Giorno‘: „Marisa Bellisario ist tot, das Symbol der siegreichen Frau„; und der besonders konservative 'Il Giornale‘ titelt: „Marisa Bellisario tot, die Managerin, die Italtel sanierte.“ Und da liest man dann auch noch Sätze wie die folgenden über sie: „Den Feministinnen hat die zerbrechliche und lebendige Marisa wahrscheinlich nicht sonderlich gefallen, denn die harte Ausbildung im Unternehmen, die sie genossen hatte, ließ keinen Raum für Grillen und dumme Sprüche. Und dennoch hat diese willensstarke, lächelnde Frau mehr für die Sache der Frauen getan als viele dieser wutentbrannten Suffragetten.“
Ein Symbol also, ein Fetisch fast, diese Marisa Bellisario?
Auf jeden Fall für alle, alle ein Grund, ihr Gewissen in Sachen Frau für die nächsten zwanzig Jahre zu beruhigen.
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