: Mittels Kartellrecht gegen Bergbau
Kartellamt hält „Jahrhundertvertrag“ zwischen Bergbau und Stromwirtschaft für illegal / Trotzdem sieht die Behörde „derzeit keinen Grund zum Eingreifen“ / IG Bergbau und Energie vermutet „gezielte Querschüsse“ ■ Von Petra Bornhöft
Berlin (taz) - Zu den Stimmen der Atomgemeinde gegen den bundesdeutschen Bergbau hat sich nun auch das Bundeskartellamt gesellt. Es hält den sogenannten Jahrhundertvertrag, der bis 1995 den Verkauf deutscher Steinkohle an die heimischen Elektrizitätswerke sichert, für einen „Verstoß gegen das Kartellrecht“. Insofern sei eine Verlängerung des 1995 auslaufenden Vertrages „bedenklich“.
Dies teilte die Behörde in der vergangenen Woche dem Bundeswirtschaftsministerium mit, das ein entsprechendes Gutachten in Auftrag gegeben hatte. Während Wirtschaftsminister Bangemann (FDP) das Papier lesen läßt, knurrte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP -Bundestagsfraktion Klaus Beckmann, es sei „nicht Sache der Kartellwächter in Berlin, den Menschen an Saar und Ruhr Ratschläge zu geben, wie sie ihre Arbeitsplätze beseitigen sollen“.
Als „nicht besonders aufregend“ wertete ein Sprecher des Kartellamtes gegenüber der taz das Gutachten. „Seit 1977 weiß jeder, daß der damals geschlossene Vertrag gegen das Kartellverbot verstößt.“ Die damalige Bundesregierung habe die „Stromwirtschaft quasi genötigt“, sich zu ungunsten der Atomenergie auf die Abnahme großer Mengen Steinkohle einzulassen. Die offiziellen „Wettbewerbshüter“ griffen nicht ein, um die Energieversorgung sicherzustellen und, so der Sprecher weiter, „weil die Bundesregierung ohne Schwierigkeit die Absprache hätte legalisieren können“.
Das geschah nicht. Dennoch sieht die Berliner Behörde derzeit „keinen direkten Anlaß zum Eingreifen“, versicherte der Sprecher. Anders dürfte sich die Situation in Zukunft darstellen. Von einem Engpaß in der deutschen Energieversorgung wie vor einem Jahrzehnt könne jetzt keine Rede mehr sein, ist aus dem Kartellamt zu hören.
Es sei „kein Geheimnis, daß die deutsche Kohle extrem teuer ist“, sagte der Sprecher. Bekanntlich ist Importkohle wesentlich preisgünstiger als das „schwarze Gold“ aus heimischen Zechen. Die Preisdifferenz gleichen die Stromkunden über den „Kohlepfennig“ aus. Weitaus billiger als die Verstromung der Kohle, so rechnet die Atomgemeinde seit Jahren vor, sei der Atomstrom. Und weil hier immense Überkapazitäten bestehen, hat die französische Regierung bereits im Februar bei der EG-Kommission in Brüssel beantragt zu überprüfen, ob der Jahrhundertvertrag mit europäischem Recht übereinstimmt. Zu gerne möchten die Franzosen ihren Atomstrom in bundesdeutsche Netze einspeisen.
Daher dürfte ihnen und hiesigen AKW-Befürwortern überhaupt nicht passen, daß sich bei den Bonner Verhandlungen über eine Verlängerung des Jahrhundertvertrages „gegenwärtig eine Einigung zwischen Bergbau und Stromwirtschaft abzeichnet“, wie aus der IG Bergbau und Energie (IGBE) gestern zu erfahren war. Angeblich hat die Stromwirtschaft angedeutet, einer Fortschreibung des Mengengerüstes zuzustimmen. So hält die IGBE den neuen Wirbel um den Jahrhundertvertrag für „gezielte Querschüsse gegen die laufenden Verhandlungen“.
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