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Geheimer Anti-IRA-Plan beschlossen

Britische Regierung einigte sich auf Gegenmaßnahmen gegen die IRA / Thatcher will Einzelheiten nicht bekanntgeben / Recht auf Aussageverweigerung soll abgeschafft werden / Weiteres Sonderkommando nach Nord-Irland  ■  Aus London Ralf Sotscheck

Nach der erneuten Ausweitung der IRA-Bombenanschläge in Nordirland hat die britische Regierung am Mittwoch abend Gegenmaßnahmen beschlossen. Nordirland-Minister Tom King gab jedoch keine Details seines zweistündigen Gesprächs mit der britischen Premierministerin Thatcher bekannt, sondern betonte lediglich die Entschlossenheit der britischen Regierung, mit dem „Terrorismus aufzuräumen“. Thatcher ergänzte: „Bitte denken Sie daran, daß wir auf der Seite von Recht und Ordnung stehen. Wir werden unseren Feinden nicht verraten, was wir vorhaben.“ Die Möglichkeiten der britischen Regierung, die IRA entscheidend zu schwächen, sind begrenzt. Zwar beschloß Innenminister Hurd am Dienstag, die 94.000 Privatfahrzeuge der Rheinarmee mit normalen britischen Nummernschildern auszurüsten, doch warnte der konservative Abgeordnete Sir Geoffrey Smith, daß britische Touristen dann nicht mehr von Soldaten in Zivil unterschieden werden könnten. Weiterhin ist zu erwarten, daß die britische Truppenpräsenz in Nordirland verstärkt wird. Bisher sind 10.000 Soldaten dort stationiert. Außerdem wird vermutlich ein weiteres SAS-Sonderkommando nach Nordirland verlegt. In Verbindung mit nachrichtendienstlichen Aktivitäten wird der SAS dann wohl die „shoot to kill„ -Politik (schießen um zu töten) wiederaufnehmen.

Durch eine Reform des Anti-Terrorismus-Gesetzes will die britische Regierung mehr Verurteilungen von Verdächtigen erreichen. So soll das Recht auf Aussageverweigerung aberkannt werden. Da IRA-Mitglieder vor Gericht und bei Verhören prinzipiell nicht aussagen, wären die Verurteilungen ohne Beweise garantiert. In der Republik Irland besteht diese Regelung bereits seit einem Jahr. Außerdem sollen die Gerichte angewiesen werden, höhere Haftstrafen gegen IRA-Mitglieder auszusprechen und den automatischen Strafnachlaß zu streichen. SDP-Führer David Owen forderte die britische Regierung auf, die 560 Kilometer lange irische Grenze mit Stacheldraht und Minenfeldern zu sichern, um der IRA das Hinterland abzuschneiden.

Da ein Verbot von Sinn Fein, dem politischen Flügel der IRA, zur Zeit nicht opportun ist, will man ihren Abgeordneten mit anderen Mitteln beikommen. So sollen alle Kandidaten vor den Wahlen öffentlich der Gewalt abschwören. Sinn-Fein-Präsident Gerry Adams sagte jedoch schon Ende letzten Jahres, daß ein solches Gesetz Sinn Fein vor keine Probleme stellen würde. Die britische Regierung hält sich weiterhin die Möglichkeit offen, Internierungen wiedereinzuführen. Da sich diese Maßnahme bereits 1971 als kontraproduktiv erwiesen hat, schreckt man bisher davor zurück. Der Belfaster Korrespondent des 'Independent‘, David McKittrick, behauptete am Mittwoch, daß die IRA mit ihrer Bombenkampagne die britische Regierung zur Wiederaufnahme der Internierungspolitik zwingen will. Er zitierte einen IRA -Sprecher: „Wenn sie dieses letzte Mittel versuchen und es schlägt fehl, sind sie am Ende. Dann müssen sie gehen.“ Gerry Adams sagte, daß die Republikanische Bewegung auf die Internierungspolitik gut vorbereitet sei, so daß man den Verhaftungen entgehen könne.

Die IRA hat ihre Bombenanschläge in dieser Woche ausgeweitet. Am Montag ist ein Rekrutierungsoffizier der britischen Marine in Belfast getötet worden, und am Dienstag und Mittwoch hat die IRA mit einer Serie von Anschlägen und Bombenwarnungen den Verkehr in der Belfaster Innenstadt lahmgelegt. Für heute abend wird mit weiteren Auseinandersetzungen gerechnet, wenn IRA-Mitglied Robert Russell von Dublin an Nord-Irland ausgeliefert wird. Nachdem gestern bekannt wurde, daß die Dubliner Regierung den IRA -Mann Jerry Harte als ersten politischen Gefangenen nach dem neuen Auslieferungsgesetz in einer Nacht- und Nebelaktion ausgeliefert hat, ist die Situation angespannt. Da Ort und Zeitpunkt der Auslieferung Russells bis jetzt nicht festgelegt sind, hat das Anti-Auslieferungskomitee angekündigt, die Grenzen zu blockieren.

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