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Tödliches Inferno in Ramstein Tiefflieger bei Flugshow abgestürzt

Drei italienische Maschinen stürzten beim Flugtag auf den Luftwaffenstützpunkt Ramstein in die Menge / Mindestens 30 Todesopfer und 60 Schwerverletzte / Auch bei Flugtag in Belgien Maschine abgestürzt / Flugshow in Nörvenich verlief dagegen glimpflich  ■  Von Petra Bornhöft

Berlin (taz)- Das mußte ja passieren: Beim Flugtag auf dem größten, europäischen Luftwaffenstützpunkt Ramstein (Kreis Kaiserslautern) sind gestern nachmittag am Ende der vierstündigen Flugshow drei Maschinen einer italienischen Flugstaffel zusammengestoßen und brennend in die Ehrentribüne bzw. auf das von 300 000 Zuschauern gesäumte Rollfeld gestürzt.Bei der Explosion am Boden wurden vermutlich 31 Menschen getötet. Es gab mehrere hundert Verletzte, darunter etwa 60 Schwerstverletzte mit Verbrennungen.

Kurz vor 16 Uhr stießen drei sogenannte Jet-Trainer der italienischen Kunstflugstaffel „Frecce Tricolori“ in der Luft zusammen und stürzten in die Menschenmenge. Eine Maschine krachte nahe der Ehrentribüne in die Zuschauermenge, die andere stürzte auf das Rollfeld, die dritte fiel in ein nahegelegenes Waldstück. „Der Flugtag wurde sofort abgebrochen“, vermeldete die Polizei. Als erste Reaktion sagte Verteidigungsminister Scholz den Einsatz der Bundeswehr auf dem Flugtag in Lechfeld bei Augsburg ab. Scholz sei „tief betroffen“ erklärte sein Sprecher überraschend, hatte doch der Verteidigungsminister noch vor kurzem verlauten lassen, Proteste der Bevölkerung vor Flugshows seien in seinem Hause „ständig wiederkehrende Erfahrungen“. Sie dürften von den Politikern vor Ort nicht überbewertet werden. Die rheinlandpfälzische und die saarlandische SPD forderten gestern „derartige Flugdemonstrationen endgültig einzustellen.

Unterdessen meldete die belgische Nachrichtenagentur Belga, ein Flugzeug der finnischen Luftwaffe sei am Sonntag bei einer Flugvorführung abgestürzt. Der Pilot habe die Kontrolle über das Flugzeug verloren. Glimpflich dagegen verlief das zweite Militärspektakel auf dem Fliegerhorst Nörvenich bei Köln, unter Schirmherrschaft von Johannes Rau. Dort verfolgten ebenfalls über 250.000 Flug-Schaulustige die Show der Kampfflugzeuge. Zu Protesten am Flugtag kam es nur in Ramstein, wo zwanzig Mitglieder einer saarländischen Friedensinitiative Zettel verteilten. SPD und Grüne hatten -im Gegensatz zur CDU- aufgerufen, nicht nach Ramstein zu fahren. Auch der Präsident der evangelischen Kirche der Pfalz, Werner Schramm, hatte gemahnt, der „Verharmlosung, Idealisierung und Vergötzung von Kriegsgerät“ fernzubleiben. In Nörvenich, so ein Polizeisprecher, seien „aus polizeilicher Sicht keine nennenswerten Störaktionen aufgefallen“. Einige umgedrehte Hinweisschilder oder ein paar Flugblätter „haben hier niemanden irritiert“. Nur über den Lärm wenig glücklich zeigte sich die Einsatzleitung im Fliegerhorst Nörvenich, wo die Bundeswehr das 30-jährige Bestehen des Jagdbombergeschwaders „Boelke“ feierte. Selbst brüllend gelang es dem Polizeisprecher kaum, seine Informationen weiterzugeben. Nur einer fehlte unter den über 250.000 Begeisterten: Schirmherr Johannes Rau.

Der nordrheinwestfälische Ministerpräsident, leicht beeindruckt von den serienmäßigen Tiefflieger-Abstürzen, hatte sich im Vorfeld der Show zu einem Briefwechsel mit Bundesverteidigungsminister Rupert Scholz durchgerungen und diesen gebeten, die Sorgen der Bevölkerung ernst zu nehmen. Er, Rau, wolle nur die Schirmherrschaft für einen „Tag der offenen Tür“ übernehmen. Scholz antwortet „unbefriedigend“, Rau schrieb sich nochmal die Finger wund. Und dann schickte Scholz am vergangenen Freitag ein Telex in die Düsseldorfer Staatskanzlei, daß „den Forderungen des Ministerpräsidenten sehr nahe kam“, sagte Raus stellvertretender Sprecher gestern auf Anfrage. Allerdings hat Rau diesen Brief „vermutlich persönlich noch nicht gelesen“. Wie ernsthaft das Thema den SPD-Politiker und die Landesregierung bewegt, läßt sich daraus entnehmen, daß sie keinen Beobachter nach Nörvenich schickte. Man verließ sich auf die angebliche Zusage des Verteidigungsministers, „keine spektaktulären Kunstflugübungen zu veranstalten“, wie Rau es gefordert hatte. Dem Polizeisprecher aus Düren indes blieb insbesondere die „Kunstflugstaffel“ aus Belgien im Gedächtnis. Dokumentation auf Seite 2

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