: Defekte Zentrierstäbe auch in Esenshamm
■ Wieviele kaputte Zentrierstäbe darf ein AKW haben? Sachverständige und Reaktorsicherheitskommission erarbeiten Richtlinien Mit einer Klage und Strafanzeigen wehrt sich die Standort-Gemeinde Stadland gegen die Plutonium-Fässer
Ähnlich wie in Brokdorf sind auch im Atomkraftwerk Unterweser (KKU) in Kleinensiel/Esenshamm (Landkreis Wesermarsch) bei den derzeitigen Revisionsarbeiten defekte Zentrierstifte an den Brennelementen entdeckt worden. Wie das niedersächsische Umweltministerium am Donnerstag in Hannover auf Anfrage bestätigte, sind vier Stifte abgebrochen. Während die Betreiberfirma PreussenElektra in Hannover erklärte, sie sehe darin kein Hindernis für eine Wiederinbetriebnahme des Reaktors, will der niedersächsische Umweltminister dies zunächst erst prüfen.
Keine Bedenken,
keine Gefahr
Eine Entscheidung soll nach den Worten eines Ministeriumssprechers bis zum voraussichtlichen Ende der Revision Mitte September vorliegen. Wegen eines gebrochenen Zentrierstifts im AKW Brokdorf hatte die Landesregierung in Kiel den Reaktor am vorigen Montag erst auf Weisung durch den Bundesumweltminister wiederanfahren lassen.
Sowohl PreussenElektra als auch das Umweltministerium weisen darauf hin, daß bisher die Bewertung von abgebrochenen Zentrierstiften zu keinen sicherheitstechnischen Bedenken geführt hat. Gegenwärtig werden von den Behörden zusammen mit mehreren Sachverständigen wie der Reaktorsicherheitskommission Richtlinien erarbeitet, bis zu welcher Zahl defekter Zentriervorrichtungen ein Reaktor bedenkenlos weiterbetrieben werden könne. Bisher sei ein abgebrochener Zentrierstab nicht repariert worden, erklärte PreussenElektra-Sprecher Peter-Karl Rühland. Rühland wies Darstellungen zurück, wonach der Zentrierstift zum Festhalten der Brennelemente während des Betriebes diene. Dazu, so Rühland, enthalte jedes Brennelement acht Haltefedern, so daß die Schnellabschaltung des Reaktors durch Einführen der Steuerstäbe gewährleistet sei.
Stadland-Klagen
Gleichzeitig hat die Gemeinde Stadland, auf deren Gebiet das AKW steht, noch für diese Woche
eine Verwaltungsgerichts-Klage gegen das Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg angekündigt. Damit soll der Abtransport der nach ihrer Ansicht widerrechtlich auf
dem Gelände des KKU zwischengelagerten 107 plutoniumhaltigen Atommüllfässer aus dem belgischen Mol durchgesetzt werden. Mit der Klage ist der Berliner
Rechtsanwalt Reiner Geulen beauftragt.
Nach Angaben des Gemeindedirektors Werner Schilo vom Donnerstag wird die Gemeinde
bei der Staatsanwaltschaft Oldenburg auch „Strafanzeige gegen Bedienstete des Amtes und des KKU sowie Befangenheitsanträge gegen Mitarbeiter des Gewerbeaufsichtsamtes“ stellen.
Amt ließ rechts
widrige Lagerung zu
Das Gewerbeaufsichtsamt habe als Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde die „rechtswidrige Zwischenlagerung“ der plutoniumhaltigen Atommüllfässer zugelassen, obwohl die Betriebsgenehmigung für das Faßlager nur die Lagerung schwach radioaktiver Abfälle erlaube, begründete Schilo Klage und Strafanzeige. Das Amt sei wiederholten Aufforderungen der Kommune, den Abtransport zu veranlassen, bisher nicht nachgekommen.
Die plutoniumhaltigen Atommüllfässer waren im Dezember '87 im Zusammenhang mit dem Transnuklear-Skandal im KKU entdeckt worden und hatten für erhebliche Empörung gesorgt. Es soll sich dabei um falsch deklarierte Fässer mit Material aus dem belgischen Kernenergiezentrum Mol handeln.
dpa
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