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Große Versuchung: Bremer „Airport 2000“

■ Forschungsgruppe des Bremer Wirtschafts-Ressorts legt Zahlen über den möglichen Ausbau des Flughafens vor / Derzeit fliegen 70 Prozent der BremerInnen von Amsterdam, Hannover oder Düsseldorf ab

Zuständig für den Luftverkehr ist in der Bremer Landesregierung der Häfensenator. Die zuständige Behörde und ihr Senator haben jahrein, jahraus versichert, der stadtnahe Flughafen in Bremen werde nicht ausgebaut, die für den Airbus-Werksverkehr von MBB eventuell benötigten 2.600 Meter Landebahn würden nicht für dicke Charter-Brummer in die Urlaubsgebiete freigegeben.

Und während der zuständige Senator außer Landes weilt und seine Pressestelle glaubhaft versichert, daß sie von gar nichts weiß, veröffentlicht der „Bremer Ausschuß für Wirtschaftsforschung“ (BAW), ein Planungs-und Forschungs -Institut des Wirtschaftsenators, die Grundlinien für eine andere Flughafen-Politik. Die Umrisse sind so bestechend, daß ein armes Bundesland sich kaum entziehen kann: Ein Flughafen ist ein zentraler Wirtschaftsfaktor für eine Region. In der Branche werden Wachstumsraten bei 3,5 Prozent prognosti

ziert, und die derzeitigen Flugzentren Düsseldorf und Frankfurt sind übervoll.

Fazit der Wirtschaftsforscher: Wenn man die Service -Einrichtungen am Flughafen erweitern, durch eine zweite „Zurollbahn“ die Kapazität erhöhen und in den 90ern die „volle Nutzung der Landebahn“ erlauben würde, dann wären 5 -7% Wachstum der Fluggast-Zahlen drin. Am Flughafen selber könnten bis zum Jahre 2000 ca. 1.500-2.000 Arbeitsplätze entstehen.

Die Forscher haben Details aus der Statistik der Flughafen -AG zusammengestellt. Der Flugverkehr steigt: Zwischen 1970 und 1987 ist die Zahl der Abfertigungen von 530.000 auf 859.000 gestiegen. Und seit 1986 steigt das Fluggast -Aufkommen um jährlich über 10%. In Bremen steigt der Anteil der Inland-Flieger noch durchschnittlich doppelt so schnell wie auf den großen, etablierten Flughäfen; am internationalen Fluggeschäft ist Bremen

nur mit 30% beteiligt. Und wenn 1992 der „europäische Binnenmarkt“ kommt, kann der Bedarf an schnellem Kontakt über weite Strecken nur zunehmen.

40% der UrlauberInnen, die in Bremen buchen, starten in Düsseldorf. 12.000 Pauschalreisende fliegen nach Amsterdam und von dort an ihr Urlaubsziel. Nur ca.

80.000 Geschäftsreisende fliegen pro Jahr von Bremen los, die dreifachen Zahlen würden einem normalen Bedarf an Mobilität entsprechen. Am Geschäft mit Flug

zielen außerhalb Europas (Wachstumsrate: 8,3%) ist Bremen überhaupt nicht beteiligt.

BAW-Forscher Dr. Günter Dannemann meint, er habe nur als „unmaßgebliche Äußerung eines Wirtschaftsforschers“ Trends und Möglichkeiten konstatiert. Aber angesichts der bestechenden Wachstums-Chancen, mit denen er als Beamter des Wirtschafts-Ressorts winkt, ist heftige politischer Resonanz zu erwarten. „Wir kriegen jetzt dafür einen in die Schnauze“, nimmt Dannemann die Reaktion vorweg. Aber die Senatorin für Stadtentwicklung schweigt bisher wie das übergangene Häfen-Ressort.

Der Grüne Wirtschafts-Politiker Ralf Fücks will alles tun, um diese Perspektive zu verhindern: Ökologisch katastrophal findet er die Option auf den Binnen-Flugverkehr. Und gesamtgesellschaftlich unsinnig: Denn während Bremen seinen Flughafen in Kunkurrenz zu dem in Hannover fortentwickelt, plant Niedersachsen in ruinöser norddeutscher Konkurrenz neue Häfen in Emden, Cuxhaven, Brake...

K.W.

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