piwik no script img

Da schweigen die Chefärzte

■ Staatsanwalt ermittelt gegen wortkarge Kliniker

Der Professor und sein Anwalt saßen als recht eintöniges Gespann im Zeugenstand: „Wir werden keine Antwort geben“, beteuerten sie unentwegt. Der verschwiegene Professor hieß „Dr. Ulrich Diekamp“ und ist Leiter der Blutbank im Klinikum St.-Jürgen-Straße. Da gegen ihn nicht nur der parlamentarische Untersuchungsausschuß „St.-Jürgen-Straße“, sondern auch der Staatsanwalt ermittelt, berief er sich gestern vor den ParlamentarierInnen auf sein Zeugnisverweigerungsrecht.

Gegen mehr als zehn Bedienstete des Zentralkrankenhauses läßt der Bremer Staatsanwalt Spielhoff gegenwärtig ermitteln. Außer dem Blutbank-Professor Diekamp bekamen noch weitere der insgesamt 23 Chefärzte Vorladungen von der Staatsanwaltschaft: Der Leiter des Zentrallabors Prof. Dr. Haeckel, der Chefarzt der Anästhesie Prof. Dr. Henschel und der Chef der Zentralapotheke, Dr. Werner Rönsberg.

Der erste professorale Zeuge, Blutbank-Chef Diekamp, steht unter dem Verdacht der „Beihilfe zur Untreue“. Ihm wird vorgeworfen, sich außerhalb des Investitionsplans der Klinik neue Gerätschaften für seine Blutbank besorgt zu haben. Seine Blutbank soll zu diesem Zweck - an der offiziellen Rechnungslegung vorbei - Plasma-Überschüsse an die Firma Serapharm geliefert haben. Serapharm wiederum bezahlte für das Plasma kein Bargeld, sondern beglich die Rechnungen der alteingesessenen Bremer Firma Jürgens. Diese hatte die Blutbank unentgeldlich mit Geräten beliefert und ließ sich auf diesem Umweg mit dem Plasma-Geld bezahlen.

Professor Ulrich Diekamp wird jedoch nicht nur vorgeworfen, „schwarze Dreiecks-Kassen“ eingerichtet zu haben, er soll auch persönlich dort hineingegriffen haben: Diekamp war außer in seiner „Bank“ auch im anrüchigen „Förderverein 'St. -Jürgen'“ als Kassenwart aktiv. Blutspendern händigte er Formulare aus, in denen diese sich verpflichteten, unter Verzicht auf ihre Entschädigung an den privatrechtlichen „Förderverein“ zu spenden.

Auch gegen den zweiten verschwiegenen Zeugen des Tages, den Leiter der Zentralapotheke, Rönsberg, ermittelt die Staatsanwaltschaft unter dem Stichwort „graue Kasse“. Rönsberg soll Mengenrabatte und Skonti, die ihm Lieferanten gewährten, in Höhe von rund 200.000 Mark nicht auf Klinikkonten, sondern auf einem Sonderkonto verbucht haben. Dieses Geld soll er jedoch nicht zu seiner persönlichen Bereicherung, sondern zur Modernisierung seiner Apotheke eingesetzt haben.

Der neue ärztliche Direktor, Chefarzt Prof. Dr. Demeler, erschien ohne Anwalt. Gegen ihn ermittelt auch kein Staatsanwalt. Doch auch er äußerte sich zu dem Geschehen in der „St.-Jürgen-Straße“ mehr als zurückhaltend. Erst nach vielen Nachfragen belegte er den korrupten Ex -Verwaltungsdirektor Galla mit Negativ-Prädikaten wie „unzuverlässig“, „unberechenbar“.

Unter vier Augen hatte einer der 23 Chefs diese Zurückhaltung seines Berufsstandes recht drastisch begründet: „Wenn ich hier rede, stellen mich die anderen an die Wand.“

Barbara Debus

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen