: SAS-Todesschüsse: Geheimdienst log
Hoher britischer Geheimdienstoffizier gibt bei gerichtlicher Untersuchung in Gibraltar Fehler zu / Drei IRA-Mitglieder von Sondereinheiten im März erschossen / Sie waren unbewaffnet ■ Aus Belfast Ralf Sotscheck
Ein hoher Offizier des britischen Geheimdienstes MI-5 gab am Mittwoch bei der gerichtlichen Untersuchung der SAS -Todesschüsse in Gibraltar zu, daß während der Überwachung der IRA-Einheit Fehler gemacht worden sind. Die drei IRA -Mitglieder Farrell, Savage und McCann waren am 6.März in der britischen Kronkolonie von der Sondereinsatztruppe SAS erschossen worden. Der Offizier, der vor Gericht als „Mr. O.“ auftrat und hinter einem dicken, fünf Meter hohen Vorhang vor den Zuschauern verborgen war, sagte, daß der MI -5 mehrere Falschinformationen an die gibraltische Polizei übermittelt habe. Farrell, Savage und McCann waren entgegen den MI-5-Angaben weder bewaffnet noch enthielt ihr vor dem Regierungspalast geparktes Auto eine fernzündbare Bombe. Eine Zeitzünderbombe, die vermutlich gegen das britische „Royal Anglian Regiment“ in Gibraltar eingesetzt werden sollte, wurde erst drei Tage später im spanischen Marbella gefunden. Gibraltars Polizeichef Canepa rief den SAS zu Hilfe, weil er glaubte, mit der Situation nicht fertig zu werden. Canepa übergab dem SAS am Nachmittag des 6.März die alleinige Kontrolle des Falles. Nur kurze Zeit später tötete die aus sieben Soldaten bestehende SAS-Einheit die IRA-Leute mit 27 Schüssen, von denen die meisten in den Rücken trafen.
Carmen Proetta, die wichtigste Augenzeugin der Erschießungen, wird erst in der nächsten Woche vor Gericht aussagen. Bei der polizeilichen Vernehmung hatte sie angegeben, daß Farrell, Savage und McCann die Arme erhoben hatten, um sich zu ergeben, bevor sie erschossen wurden. Die SAS-Soldaten werden Ende nächster Woche unter starken Sicherheitsvorkehrungen nach Gibraltar fliegen. Ihnen wurde zugesichert, daß sie sich im Gerichtssaal hinter einem Wandschirm verstecken dürfen. Die schriftlichen Aussagen der SAS-Soldaten sind jedoch bereits am Montag bekannt geworden. Angeblich habe der SAS das IRA-Trio gerade verhaften wollen, als versehentlich eine Polizeisirene ausgelöst worden sei. Daraufhin seien die IRA-Leute in Panik geraten, und die Soldaten mußten blitzschnell handeln, um die Fernzündung der - nicht existenten - Bombe zu verhindern. Der Belfaster Anwalt Paddy McGrory, der die Familien der Getöteten vertritt, nannte diese Angaben eine „gezielte Indiskretion, um die Geschworenen zu beeinflussen“. Er selbst sei von den Medien als „Terror-Anwalt“ bezeichnet worden, der „unter einem Arm ein Gesetzbuch und unter dem anderen ein Gewehr hält“. Vor Gericht werde er dementsprechend behandelt. Beim Betreten des Gebäudes muß er sich durchsuchen lassen und wichtige Akten werden ihm vorenthalten. McGrory forderte vergeblich, die auf über vier Wochen angesetzte Untersuchung ohne Geschworene fortzusetzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen