: Die heile Alkem-Welt bei der CDU zu Gast
■ CDU-Bundestagsabgeordneter und RBU-Geschäftsführer Dr. Alexander Warrikoff zerstreut die Skepsis gegenüber „Kernenergie“ Zwei Drittel der Deutschen wollen die Wahrheit nicht wissen / Wie der Atom-Wahrheit eine Gasse zu schlagen sei
„Könnten Sie nicht einfach mal den Strom abstellen?“ Einige Herren in der Runde der ca. 30 interessierten Mitglieder des Wirtschaftrates der Bremer CDU konnten nicht recht verstehen, warum der Wahrheit keine Gasse zu schlagen sein soll. Dreiviertel der Bevölkerung lehnt „Kernenergie“ ab, ist überzeugt von den großen Risiken, ja - unter dreißig gebe es keinen, der für „Kernenergie“ sei, meinte sogar einer - da müsse es doch eine Strategie geben, die guten Argumente in die ideologisch verbohrten Köpfe zu bringen, die der Geschäftsführer der Alkem/RBU-Gesellschaft und CDU -Bundestagsabgeordnete, Alexander Warrikoff, da vorgetragen hatte. Das würde doch ein Bäcker auch machen, wenn die Kundschaft nur meckert über seine Brötchen: einfach mal einen Tag nichts backen, dann sehen die, woran sie sind... Oder, erinnerte sich ein anderer CDU-Wirtschaftsrat, damals bei der OPEC-Ölkrise: Da wurde erklärt, Sontag wird nicht gefahren, und es ging. „Sie verwöhnen uns alle zu sehr“, sagte er zu dem Strom-Mann.
Aber Warrikoff will den Strom nicht abschalten. Die deutschen Stromgesellschaften würden das für ein „Versagen“ halten, wenn
die Kundenwünsche nach Strom nicht in jedem Moment befriedigt werden würden. „Ist ja irre, wenn einer Recht hat, aber nicht Recht bekommt.“ Ein Konzept, das muß Warrikoff zugestehen, hat er nicht. Er hofft, daß sich die „Wirklichkeit langsam durchsetzt“. Die Betriebsräte seien „wichtige Verbündete“ bei dem Versuch, die Bevölkerung zu überzeugen. Aber: „In jeder Industrie herrscht Angst vor den Medien.“
Die Wirklichkeit ist für Warrikoff gerade das Gegenteil dessen, was verbreitet wird, jedenfalls was die deutsche Technik betrifft. Wir haben „ein bißchen heile Welt“, hebt der Alkem/RBU-Manager an, „durch Kernenergie“, hilft ihm ein sonst sicherlich beherrschter Herr aus dem Publikum, ja, aber Warrikoff wollte eigentlich auf die Verbrennungskraftwerke kommen. Nirgendwo sonst gebe es die „Altlastbewältigung“ durch Entschwefelung, in Halle/Leune hätten die Menschen eine um 5 Jahre reduzierte Lebenserwartung. In vertraulichen Behörden-Unterlagen der DDR stehe der Grund: Erkrankungen der Atemwege.
Und für die Sicherheit der „Kernkraftwerke“, der deutschen, hat Warrikoff eine Fest
stellung und eine Anekdote. Die Feststellung: „Einen Unfall hat es überhaupt nicht gegeben.“ Was es gegeben habe, seien nur „Störfälle“, und die habe man technisch voll im Griff. Die Anekdote: Da sei mal ein Hanauer Mitarbeiter zum Arzt gegangen, zu diagnostischen Zwecken
mußte ihm radioaktives Jod 131 verabreicht werden. Der Mitarbeiter ist gesund, kommt zurück in den 2000-Mann -Betrieb, muß dort pinkeln - die Alarmanlage springt an. So sensibel sind die Kontroll-Sensoren eingestellt. Die Presse meldet: Alarm wegen radioaktiver Verseuchung des
Abwassers... Meldungen, daß die ausgetretenen Mengen an Radioaktivität völlig zu vernachlsässigen seien, würden selbst dann von der Bevölkerung nicht geglaubt, wenn sie ausdrücklich vermerkt seien - „eine teuflische Situation.“
Ist der Wahrheit nicht eine
Gasse zu bereiten? Für den Alkem/RBU-Geschäftsführer Warrikoff ist das ein langer Weg, aber er ist optimistisch. In Frankreich, erzählt er, habe es jüngst eine Umfrage gegeben, nach der noch 25% der Menschen glaubten, die Sonne drehe sich um die Erde...
K.W.
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