: Galla, der Allmächtige
■ Der weltberühmte Chefarzt Prof. Haeckel bescheinigte Ex-Verwaltungsdirektor Galla „unheimliche Machtfülle“ / Förderverein „St.-Jürgen“ spendete dem ASB
West-Deutschlands Chefärzte gelten gemeinhin als „Halbgötter in Weiß“. Die Chefärzte des Bremer Klinikums „St.-Jürgen -Straße“ allerdings konnten diesen überirdischen Status nach eigenem Bekunden nie recht auskosten, schwebte über ihnen doch als machtvoller sozialdemokratischer Voll-Gott der geschaßte Ex-Verwaltungsdirektor Galla. Als letzter einer Serie von fünf St.-Jürgen-Chefärzten saß gestern Prof. Dr. Reiner Haeckel vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß und ließ sich über die Ära Aribert Galla be
fragen.
Dem Ausschuß, der zuvor immerhin schon vier weitere Chefärzte vernommen hatte, gab Haeckel mehrmals zu verstehen, daß es sich bei ihm nicht um irgendeinen Klinikchef handelt: „Durch eine ganze Reihe von Publikationen habe ich mir nicht nur national, sondern auch international einen Namen gemacht.“ - „Sie müssen davon ausgehen, daß ich auf dem Gebiet der Analysegeräte ein nicht unbekannter Mann bin.“
1982 wurde Reiner Haeckel an das Zentralkrankenhaus St. -Jürgen-Straße berufen. Er sollte das „Institut für Laboratoriums-Medizin“ leiten, die vielen kleinen Klinik -Laboratorien zugunsten eines leistungsfähigen Zentrallabors auflösen. Zwar schleppte sich diese Zentralisierung über Jahre hinweg, doch heute kann Haeckel behaupten, daß in seinem Zentrallabor „modernste Medizin“ gemacht wird. Blut, Urin und Gehirnflüssigkeit der 1.200 PatientInnen werden mittels neuestem Maschinenpark ausgewertet.
Doch immer, wenn der namhafte Professor Haeckel wieder ein neues Gerät ordern wollte, einen „Multikristall-Gammazähler“ oder einen „Rapimat“ zur Harndiagnose, mußte er zum Verwaltungsdirektor „anti-chambrieren“ gehen. Haeckel: „Ich war von Herrn Galla in jeder Hinsicht abhängig. - Der hat eine unheimliche Machtfülle für uns repräsentiert. Der war per Du mit allen von der SPD, bis hoch zum Senator. Das war wie eine
Mauer. Es wäre politisches Harakiri gewesen, sich als Newcomer und parteipolitisch Neutraler gegen so einen Mann zu stellen.“
Haeckel wälzte vor dem Ausschuß jede Verantwortung für finanzielle Praktiken bei der Geräte-Beschaffung auf Galla ab. Dafür sei Galla zuständig gewesen: „Das lasse ich mir nicht in die Schuhe schieben.“ Gleichwohl gab der namhafte Laborleiter zu verstehen, daß er sehr wohl mit Firmenvertretern erfolgreich um Sonderkonditionen und Rabatte, um Leihgeräte, Koppelgeschäfte und Zuwendungen gerungen hatte. Sogar daß er einer Mitarbeiterin der Wirtschaftsabteilung in Sachen Rabatte das einkäuferische Einmaleins beigebracht hatte berichtete er mit Stolz, und führte den Beweis, wie unfähig die Verwaltungsabteilung aufgrund der dort herrschenden Vetternwirtschaft doch sei. Und nicht zuletzt konnte er nicht umhin zu erwähnen, welch namhafte Kapazität er auch auf dem Gebiet des Geräte -Bestellen ist: „Ich habe schon viele Vorträge darüber gehalten, wie man Investitions-Entscheidungen aufbereitet.“
Wie widersprüchlich die Beziehungen zwischen Halbgott Haeckel und Voll-Gott Galla sich auch im wirtschaftlichen Krankenhausgeschehen gestaltet haben mögen, im „Förderverein St.-Jürgen“, eine der zahlreichen grauen Kassen des Herrn Galla, waren die Rollen offenbar eindeutig verteilt. Haeckel: „Galla hat unsere Gutgläubigkeit mißbraucht. Retrospektiv hätte ich
das Geld auf mein Privatkonto genommen.“
Haeckel hatte den stellvertretenden Vorsitz in dem „Förderverein“ innegehabt, sich jedoch fünf Jahre lang nie einen Überblick über die Zahlungsein-und -Ausgänge verschafft. Haeckel erklärte gestern, er sei selbst überrascht gewesen, als er jetzt erfahren habe, daß der Verein in den letzten fünf Jahren eine halbe Million Mark eingenommen hatte. Haeckel: „Ich bin kein Vereinsmeier.“
Dem „Förderverein“ hatten Chefärzte und Pharmafirmen gespendet, die Gelder konnten als Drittmittel für Aufgaben in den Kliniken verwandt werden. 1. Vorsitzender des Vereins war der allmächtige Galla, der gemeinsam mit mit seinem Vertrauten Peter Backhaus faktisch die Geschäfte führte, obwohl juristisch die Unterschrift eines weiteren Vorstandsmitglieds erforderlich gewesen wäre.
Galla und Backhaus waren beide im „Arbeiter-Samariter-Bund“ (ASB) aktiv. Jährlich überwiesen sie 1.200 Mark an den ASB als „Raummiete“. Der ASB bekam auch einen „Einrichtungszuschuß“ von 4.713,90 Mark vom „Förderverein St.-Jürgen“. „Gefördert“ wurde auch die Firma System -Service, die sich im Besitz der Eheleute Galla befindet.
Chefarzt Dr. Haeckel hat jedoch gelernt: „Der nächste Verwaltungsdirektor wird es schwerer bei uns haben.“
Barbara Debus
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