: Auf der Suche nach einem mutigen Frieden
■ PLO-Chef Yassir Arafat beim Europaparlament in Straßburg / Werben für einen Palästinenserstaat
Die Sympathiedemonstranten waren erwartet, der Schweigemarsch der jüdischen Gegendemonstranten auch. Dennoch war der Besuch des PLO-Chefs auf Einladung der Sozialistischen Fraktion des Europäischen Parlaments ein Ereignis, denn die Proklamation einer provisorischen Regierung für die von Israel besetzten Gebiete steht bevor. Arafat, der in Straßburg auch die Außenminister Frankreichs und Griechenlands sowie EG-Kommisar Cheysson treffen durfte, kündigte schon jetzt ein „demokratisches Mehrparteiensystem“ für den künftigen Staat an und forderte Israel zu einem „mutigen Frieden“ auf.
„Shanatova!“ Mit diesem hebräischen Gruß wünschte der Vorsitzende der Palästinensischen Befreiungsorganisation gestern mittag auf einer gut gefüllten Pressekonferenz „allen Israelis und den Juden in aller Welt“ ein gutes neues und friedliches jüdisches Jahr. Werte, die vielleicht deutlicher als sensationelle Erklärungen zeigen, welchen weiten Weg die PLO in den letzten Monaten zurückgelegt hat.
Für Sensationen wäre der Besuch Arafats in Straßburg, der auf eine Einladung der sozialistischen Fraktion des Europaparlaments zurückging, der falsche Ort und der falsche Zeitpunkt gewesen. In seiner Rede vor der Fraktion am Dienstag abend und während der Pressekonferenz wurde der PLO -Chef nicht müde zu betonen, daß grundlegende Entscheidungen, wie beispielweise die Ausrufung einer Exilregierung, vom palästinensischen Parlament, dem Nationalrat, getroffen werden müßten, der im Oktober anfangen soll.
Ähnliches gilt für die Frage der Anerkennung Israels. Arafat stellte klar, daß Verhandlungen im Rahmen einer internationalen Konferenz der Ort seien, an dem auch über Sicherheitsgarantien für alle Staaten der Region (inklusive Israels und des palästinensichen Staates) geredet werden könne. Doch das Akzeptieren der Tatsache, daß es einen Staat Israel gibt, mit dem verhandelt werden muß, schlug sich bereis in der Wortwahl des PLO-Vorsitzenden nieder. Ohne jedwede gedankliche oder verbale Anführungszeichen war hier die Rede von Israel, von Israelis und von „fortschrittlichen, demokratischen und jüdischen Kräften“. Arafat appelierte an die Bevölkerung Israels, bei den bevorstehenden Parlamentswahlen zu entscheiden, ob sie einen Weg zum Frieden oder einen Weg in den Krieg einschlagen wollen. Ein Krieg allerdings, so Arafat, werde nicht, wie im Jahre 1967 Stunden oder Tage, sondern lange Zeit dauern und viele Opfer fordern. „Die palästinensiche Option ist die des Friedens. Daher muß uns die internationle Gemeinschaft helfen, die Kräfte des Friedens weiter zu fördern.“ Auf die Frage eines Journalisten nach seinen Präferenzen für den Wahlausgang in Israel entgegnete Arafat: „Ich suche einen De Gaulle in Israel!“ Der PLO-Chef hatte am Tag zuvor dem ehemaligen französischen Staatschef mit den Worten zitiert: „Wir brauchen einen mutigen Frieden.“ An die Abgeordneten der sozialistischen Fraktion, denen sich auch Vertreter der Regenbogenfraktion sowie einige Liberale angeschlossen hatten, richtete er die Frage: „Gibt es hier mutige Menschen?“
Wie in Kreisen der palästinensischen Delegation zu erfahren war, ging es der PLO bei diesem Besuch in Staßburg neben den Gesprächen mit Funktionsträgern auch in erster Linie darum, gegenüber den Abgeordneten der westeuropäischen Regierungen Überzeugungsarbeit für das Anliegen der Palästinenser und ihre Vorstellungen einer friedlichen Lösung - eines palästinensischen Staates an der Seite Israels - zu leisten. Für die sozialistische Fraktion wurde deren Voritzender Rudi Arndt (SPD) nicht müde zu betonen, daß der Nahost-Konflikt nicht durch Gewalt, sondern nur durch Verhandlungen der beiden Kontrahenten gelöst werden könne. Daher auch die Einladung an den PLO-Chef, die innerhalb der sozialistischen Partei Frankreichs und der französischen Öffentlichkeit eine Kontroverse ausgelöst hatte.
Die Erwartungen, die die PLO heute an Europa richtet, müssen vor dem Hintergrund der geplanten Ausrufung einer palästinensischen Exilregierung gesehen werden. Denn hat der Nationalrat einmal diesen Schritt beschlossen, dann steht die Frage der Anerkennung auf der politischen Tagesordnung.
Beate Seel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen