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Öffentlichkeit ausgeschlossen

■ Im Memmingen-Prozeß werden die Patientinnen des angeklagten Arztes unter Ausschluß der Öffentlichkeit vernommen / Gutachter hält Notlagenindikation für verfassungswidrig

Berlin (taz) - Im wesentlichen unter Ausschluß der Öffentlichkeit wird der Memminger Paragraph 218-Prozeß in Zukunft stattfinden. Zu Beginn des gestrigen vierten Verhandlungstages erklärte der Vorsitzende Richter Barner, das Gericht wolle die Zeuginnen, die bei dem angeklagten Arzt Theissen hatten abtreiben lassen, vor der neugierigen Öffentlichkeit schützen. Diese werde deshalb von wesentlichen Teilen der Verhandlung ausgeschlossen werden. Unter diesen Ausschluß sollen auch die Einlassungen des Arztes zu den Aussagen seiner Patientinnen fallen, sowie die Aussagen der Ehegatten bzw. der sonstigen nichtehelichen „Erzeuger“ ungewollter Schwangerschaften. Diese werden auch als Zeugen geladen.

Zu der Frage, auf welche Weise ein Arzt die Erkenntnis gewinnt, ob eine Notlagenindikation bei einer Schwangeren vorliegt, wurde ein vom Gericht bestellter Gutachter gehört. Prof. Hiersche, Direktor der Frauenklinik am Akademischen Lehrkrankenhaus in Kaiserslautern, betonte, es sei die persönliche einzelne Entscheidung des Arztes, ob die Frau in einer schweren Notlage sei. Er kritisierte heftig, daß der Gesetzgeber nicht näher definiert habe, was darunter zu verstehen sei.

Solange eine solche Definition aber nicht im Gesetz stehe, könne man vom Arzt nicht verlangen, eigene Recherchen anzustellen (z.B. durch Telefonate mit Behörden), um die Angaben der Frau zu überprüfen. Der Arzt müsse sich auf die Angaben der Frau verlassen und diese abwägen. „Diese Notlagenindikation ist verfassungswidrig!“, erklärte Hans -Dieter Hiersche. Diese Einschätzung des Gutachters ist von Bedeutung, weil Schuldsprüche gegen Ärzte vor bayerischen Gerichten in jüngster Vergangenheit damit begründet wurden, sie hätten „Indikationen ohne Grund“ ausgestellt, da sie die Angaben der Patientin geglaubt und nicht weiter überprüft hätten.

Gunhild Schöller

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