: Übermut im Amt
■ Rebmanns Intervention gegen den Bundespräsidenten
Daß der Generalbundesanwalt eine Begnadigung von Peter –Jürgen Boock mit allen Mitteln verhindern will, daß er darin eine höchstamtliche Distanzierung vom Stammheimer Landrecht erblicken muß, das alles läßt sich leicht nachvollziehen. Daß Rebmann Boock als „gnadenunwürdig“ bezeichnet und als eiskalten Taktiker hinstellt, wirft ein Licht auf die menschliche Qualität des obersten Anklägers, bei dem offenbar die Motive der Rachsucht die der Amtspflichten überwiegen. Aber Rebmanns Briefe an den Justizminister gehen weit über ihren Inhalt hinaus. Sie sind geradezu ein antiinstitutioneller Amoklauf.
Rebmann warnt den Bundespräsidenten davor, daß er mit einem Boock-Besuch den Entscheidungsspielraum seines Amtes einenge und die Würde seines Amtes „aufs Spiel setzt“. Er ernennt sich mithin zum Herrn des Gnadenverfahrens; mehr noch: er deutet gelinde an, daß Weizsäcker selbst ein bißchen naiv sei und vor sich selbst geschützt werden muß. Eine solche Verhöhnung des Bundespräsidenten durch einen hohen Beamten hat es bislang noch nicht gegeben.
Da nun diese Briefe gezielt veröffentlicht worden sind, hat Rebmann praktisch die Frage der Begnadigung der Ex-RAFler mit seinem beruflichen Schicksal verbunden. Er hat die Alternative „Rebmann oder Boock“ formuliert – eine beispiellose Verschärfung der Auseinandersetzung. In Bonn wird jetzt gewettet, ob sich ein zutiefst verbitterter, amtsmüder, den Tröstungen des Alkohols zugetaner Generalbundesanwalt nur einen dramatischen Abgang verschaffen wollte oder um den letzten Sieg pokert. Eines steht jedenfalls fest: sollte sich jetzt das Gnadenverfahren für Peter-Jürgen Boock und Angelika Speitel nach der Provokation von Rebmann auch nur merklich verzögern, dann hätte nicht nur Weizsäcker an Renommee, sondern auch sein Amt an Würde verloren. Er hätte sich gerade an dem Punkt erpreßbar gezeigt, der die Autorität seines Amtes begründet: das Recht zu begnadigen.
Klaus Hartung
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