: Zensur in Großbritannien
■ Eine Chronologie
Juli 1977: Gay News, eine Zeitung für Homosexuelle, und ihr Herausgeber Denis Lemon werden für schuldig befunden, ungesetzlich und bösartig eine gotteslästerliche Verleumdung bezüglich der christlichen Religion - veröffentlicht zu haben. Der Vorwurf betrifft das Gedicht The Love that dares speak its name (mit Illustrationen) von dem Dichter und Theaterschriftsteller Prof.James Kirkup, in dem die Reaktion eines römischen Zenturio auf die Kreuzigung Jesu beschrieben wird. Gay News wurde zur Zahlung von 1.000 Pfund Sterling verurteilt; Lemon erhielt eine Gefängnisstrafe (mit 18monatiger Bewährung) von neun Monaten und eine Geldstrafe von 500 Pfund. Die von der Zeitung und Lemon angestrengte Revision wurde vom Revisionsgericht abgelehnt, die auferlegten Geldstrafen beibehalten, Lemons Freiheitsentzug jedoch nicht bestätigt.
Februar 1978: Das House of Lords (höchste juristische Instanz in GB) lehnt eine Berufung mit der Begründung ab, daß die „mens rea“ - das geistige Element - oder die Intention der Beschuldigten hier nicht von Bedeutung ist und daher nicht in Betracht gezogen zu werden braucht. BBC und die Sicherheitsbehörden
Juli 1977: Peter Neivens, Chef der Öffentlichkeitsabteilung der Metropolitan Police (Londoner Polizei) informiert Nachrichtenjournalisten und Mitarbeiter der politischen Magazin-Sendungen, daß der BBC keine Einrichtungen für Dokumentationen über die Polizei mehr zur Verfügung gestellt werden, wenn Produzenten nicht vertraglich zusichern, entsprechende Programme vor Sendung vorzulegen und kein Matarial zu senden, zu dem sie gegen den Willen der Polizei Zugang bekommen haben. Ein Sprecher der BBC kommentiert wenig später, daß solche Bedingungen völlig unannehmbar seien, egal, wer sie stellt.
März 1978: Metropolitan Police und BBC kommen zu einer Übereinkunft über „potentiell sensible Programme“ der BBC. Produzenten, die sich mit Polizeiarbeit befassen, müssen die Polizei im vorhinein unterrichten, ihre Pläne im Detail offenzulegen und die Zustimmung der Polizei abzuwarten. Wenn die Polizei nicht einverstanden ist mit den Plänen, hat sie das Recht, vom Generaldirektor der BBC gehört zu werden.
Mai 1978: Auf ihrer Jahreskonferenz verabschiedet die Vereinigung der Gefängnisbeamten eine Resolution, die die BBC scharf kritisiert und ihren Fernsehteams den Zutritt zu allen Gefängnissen bis zum 1.Dezember des Jahres verbietet. Dieser Schritt ist eine Reaktion auf die dramatisierte Serie Law and Order, in der Szenen von Gewalt gegen Gefangene durch Gefängnisbeamte gezeigt wurden.
9.März 1980: Das BBC-Fernsehen zeigt Gone for a Soldier, eine kontrastreiche Impression über das Leben in der britischen Armee, wie es von gemeinen Soldaten gesehen und in ihren eigenen Worten und Liedern lebendig wird. Die Regierung kritisiert das Programm für seinen „deutlich selektiven Gebrauch von Material, das bei vielen Menschen Anstoß erregt hat“. Das Verteidigungsministerium warnt, es würde in Zukunft „selektiver“ vorgehen bei der Vergabe von Dreherlaubnis.
18.August 1984: Die Sonntagszeitung The Observer veröffentlicht einen Artikel über die Einflußnahme von MI5 (Geheimdienstabteilung für Innere Sicherheit) bei der Einstellung und Entlassung in der BBC. Der Artikel führt acht Fälle an, in denen Leute aufgrund von MI5 -Interventionen entweder von vornherein keine Arbeit bei der BBC erhielten oder von Beförderungen ausgeschlossen wurden.
Oktober 1985: Brass Tacks, eine BBC -Fernsehdokumentation, wird auf Druck von Scotland Yard abgesetzt; in ihr sollte die Verbindung zwischen Detektiven und bekannten Kriminellen aufgedeckt werden.
Mai 1987: Nach Drohungen des Verteidigungsministeriums auf Strafverfolgung nach dem Official Secrets Act (betrifft die Geheimhaltungspflicht „offizieller Geheimnisse“) läßt die BBC das geplante Radio-Programm Get by in Russian fallen, das über einen Soldaten berichten sollte, der während seiner Wehrpflichtzeit (inzwischen in GB abgeschafft) Russisch lernte.
4.Dezember 1987: Die Regierung erwirkt eine gerichtliche Verfügung, die der BBC verbietet, Interviews mit derzeitigen oder ehemaligen Mitgliedern der Geheimdienste zu senden. Die Verfügung zielt auf eine im Radio geplante Serie My Country Right or Wrong, in der Interviews mit ehemaligen und derzeitigen Mitgliedern der Geheimdienste enthalten sind. Da das Programm vom D Notice Comittee (ein Auschuß aus Medien- und Regierungsvertretern, das mit sicherheitsempfindlichen Angelegenheiten befaßt ist) bereits geklärt worden war, erhebt sich sofort die Frage, ob dieser Ausschuß überhaupt noch einen Sinn hat.
22.Dezember 1987: Die BBC erhebt Einspruch gegen die Verfügung. Der Oberste Gerichtshof beschränkt die Auflagen auf diese spezielle Sendereihe.
1.März 1988: Die Regierung erlaubt die erste Sendung der Serie, ordert jedoch die Sende-Manuskripte der weiterhin geplanten zur Einsicht. Die BBC verweigert dies.
Juni 1988: Die Serie wird schließlich gesendet, nachdem alle Skripte von der Regierung überprüft worden sind. BBC und Nordirland
5.Juli 1978: In ihrem Programm Tonight sendet die BBC ein Interview mit einem anonym bleibenden Mitglied der verbotenen Irish National Liberation Army, die sich zum Mord am Sprecher der Opposition, Airey Neare, bekannt hat. Die Regierung und führende Parlamentsmitglieder üben scharfe Kritik an der Sendung; die BBC betont jedoch, die Sendung sei im Rahmen bestehender Richtlinien geblieben.
22.August 1978: Der Autor Caryl Churchill und Regisseur Roland Joffe lassen ihre Namen aus dem Nachspann zu The Legion Hall Bombing streichen, als sie entdecken, daß nur eine gekürzte Fassung ihres Stückes gesendet werden soll. Das Stück, dessen Text auf dem Prozeß gegen den für den Bombenanschlag auf den Versammlungssaal der Britischen Legion in Nordirland zu einer Gefängnisstrafe verurteilten William Gallagher basiert, ist vorher bereits auf Anraten der BBC-Nordirland verschoben worden. Es wird schließlich mit verändertem Anfangskommentar und völlig gestrichenem Schlußkommentar gesendet. Churchill sagt in einer Stellungnahme, daß ohne diesen Kommentar der Sinn des Stückes, nämlich auf ein mögliches Fehlurteil aufmerksam zu machen und eine kritische Diskussion über das nordirische Gerichtsverfahren nach dem Emergency Provisions Act (notstandsartiges Prozeß- und Strafverfahren) anzuregen, verdreht worden sei...
13.November 1979: Die Polizei beschlagnahmt einen Panorama -Film, der eine von IRA-Männern verursachte Straßensperre im nordirischen Dorf Carrickmore zeigt. Der Vorwurf ist, daß die BBC die Straßensperre in Zusammenarbeit mit IRA-Leuten inszeniert habe. Die BBC-Direktoren veranlassen sofort eine Untersuchung; obwohl sie den erhobenen Vorwurf dann zurückweisen, geben sie bekannt, das Panorama-Team habe nicht in völliger Übereinstimmung mit den bestehenden Regeln über Filmarbeit in Nordirland gehandelt.
Dezember 1981: BBC-Direktoren verweigern die Erlaubnis für einen Auftritt der Gruppe Campaign for Free Speech on Ireland (CFSI) in der Sendung Open Door; dieses regionale Fernsehprogramm ist Gruppen gewidmet, deren Anliegen in den Medien miß- oder unterrepräsentiert sind. CFSI möchte auch die auf 40 geschätzten Fälle verbotener, zensierter oder verschobener Fernsehprogramme über Nordirland diskutieren. Die BBC kommentiert, sie sei nicht bereit, die redaktionelle Kontrolle an CFSI abzugeben. BBC und Selbstzensur?
21. März 1979: Solid Geometry, ein Stück von Ian McEwan wird noch während der Probenzeit von Alasdair Milne, Managing Director des BBC-Fernsehens, abgesetzt. Das Stück enthält einige Sätze über Menstruation und eine Szene, in der ein präparierter Penis im Glas gezeigt wird. Später wird der Produzent Stephen Gilbert vom Dienst suspendiert, nachdem er ein Exemplar des Manuskripts zusammen mit einer gemeinsamen Stellungnahme von ihm, McEwan und dem Regisseur des Stückes an mehrere Zeitungen geschickt hat.
Juli 1980: Gegen die Einladung des bekannten Historikers und Anti-Atom-Aktivisten E.P.Thompson zu einem traditionellen BBC- Fernseh-Vortrag legt Generaldirektor Sir Ian Trethowan sein Veto ein. Thompsons Einladung war besonders zahlreich von BBC-Mitarbeitern unterstützt worden.
30.November 1980: Die BBC beschließt, eine Sendung der Reihe Open University nicht zu senden, da sie „inadäquat und ungeeignet“ sei. Es handelt sich um den Vortrag von Prof.Michael Pentz, Dekan der Naturwissenschaftl. Fakultät der Open University, mit dem Titel Towards the final abyss? - a scientist's view of the nuclear arms race (also eine kritische Diskussion nuklearen Wettrüstens). Pentz‘ Vortrag wird schließlich im Februar 1981 doch noch gesendet.
April 1983: Aus dem BBC-Fernsehspiel The Falklands Factor werden zweieinhalb Minuten gestrichen. Der Autor Don Shaw behauptet, es sei politisch zensiert worden, und weist auf die Wahlen am 9.Juni hin; die BBC begründet die Streichungen mit Sensibilität gegenüber den Familien der Falkland -Soldaten.
Juni 1987: BBC-Direktoren unterstützen die Entscheidung der Verwaltung, ein bei Ian Curtis in Auftrag gegebenes Stück über den Falkland-Krieg nicht zu senden. Das Stück soll deutliche Sympathien mit Mrs.Thatcher zeigen und die BBC hält seine Ausstrahlung unmittelbar vor den Wahlen für nicht vertretbar.
März 1988: Headcrash, ein Stück des anerkannten Theaterschriftstellers Michael Wall, wird abgesetzt, da der Autor Änderungen im Text verweigert. Das Stück, das Gewaltszenen enthält, wird von Wall als „ziemlich horrend aber nicht unnötig gräßlich“ beschrieben. BBC und Real Lives
29.Juli 1985: Der Innenminister Leon Brittain bittet den Vorsitzenden des BBC-Direktoriums in einem (vor Empfang des Adressaten an die Öffentlichkeit gebrachten) Brief, die Sendung At the Edge of the Union, ein Programm über Nordirland in der BBC-Dokumentationsreihe Real Lives, nicht zu senden. Das für den 7.August geplante Programm enthält Interviews mit Martin McGuiness, Sinn-Fein -Repräsentant in der Ulster Assembly (beratendes Organ) und angeblich früherer Chef der IRA, und Gregory Cambell, einem radikalen Loyalisten (i.e. pro-britisch). Beide unterstützen Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele.
30.Juli 1985: Die Direktoren der BBC ziehen die Sendung zurück.
7.August 1985: Journalisten von BBC und ITV (unabhängiges Fernsehen) treten in einen beispiellosen eintägigen Streik, um gegen den Druck der Regierung auf die BBC und den überstürzten Rückzug der Direktoren zu protestieren. Der Innenminister weist den Vorwurf zurück, daß unangemessener Druck auf die Direktoren ausgeübt worden sei, und bestätigt die redaktionelle Unabhängigkeit der BBC.
Oktober 1985: At the Edge of the Union wird mit einigen Veränderungen gesendet. Zwei Protagonisten der Affäre verloren wenig später ihre Jobs: Leon Brittain und BBC -Direktor Alasdair Milne.
Die Zircon-Affäre
November 1985 - Dezember 1986: Der Journalist Duncan Cambell erarbeitet die sechsteilige Serie Secret Society für das schottische BBC-Fernsehen. Eine der Sendungen enthüllt, daß GB einen Satelliten mit dem Kodenamen „Zircon“ baut. Es wird außerdem dort behauptet, daß dieses 800-Millionen-Dollar -Projekt vor dem Parlament geheimgehalten worden sei, und zwar entgegen einer Übereinkunft zwischen Verteidigungsministerium und einem Finanzkontroll-Ausschuß des House of Commons, daß alle Verteidigungsprojekte über 200-Millionen-Pfund öffentlich gemacht werden müssen. Unter den Beitragenden dieser Sendung sind auch ein ehemaliger Ständiger Sekretär des Verteidigungsministeriums und ein früherer Wissenschaftlicher Berater des Ministeriums.
15.Januar 1987: Trotz früherer Zusicherung durch den Stellvertretenden Generaldirektor Allan Protheroe zieht die BBC Schottland unter Druck von BBC-Direktoren den Zircon -Film zurück.
19. - 20.Januar 1987: Parlamentsmitglieder und Journalisten sehen den Zircon-Film.
21. - 22.Januar 1987: Die Staatsanwaltschaft erwirkt eine gerichtliche Verfügung, die Campbell verbietet, über „Zircon“ zu sprechen oder zu schreiben, erreicht jedoch nicht, den Parlamentsmitgliedern per Verfügung das Anschauen des Filmes innerhalb des House of Commons zu verbieten. Der New Statesman veröffentlicht die Zircon-Story in voller Länge. In einem konstitutionell beispiellosen Akt verbietet der Sprecher des House of Commons die Vorführung des Filmes auf dem Parlamentsgelände.
24. - 25.Januar 1987: Detektive einer Sondergruppe durchsuchen die Büroräume des New Statesman sowie die Wohnungen von Duncan Campbell und zweier seiner Mitarbeiter.
31.Januar 1987: Die Sondergruppe durchsucht das Gebäude von BBC Schottland und beschlagnahmt alle Dokumente und Filmaufnahmen, die mit der Secret-Society-Serie in Zusammenhang stehen.
25.Februar 1987: Der Oberste Gerichtshof hebt die Verfügung gegen Duncan Campbell auf.
7.November 1987: Die Regierung gibt bekannt, daß in der Sache des Zircon-Films keine Strafverfolgung stattfinden wird. (Inzwischen hat die BBC ihr Verbot wieder aufgehoben und plant das Programm jetzt für September 1988; allerdings wurde eine Sendung der Serie, eine harsche Kritik von Kabinett-Strukturen(Cabinet) vorsichtshalber fallengelassen. Der Fall Sarah Tisdall
22.Oktober 1983: Der Zeitung The Guardian wird von anonymer Seite die Kopie eines vom Verteidigungsminister Michael Heseltine gezeichneten Memorandums an die Premierministerin zugespielt. Das Memorandum enthüllt, daß am 1.November die ersten US-amerikanischen Cruise Missiles in Greenham Common eintreffen werden, und skizziert Pläne, wie mit der Reaktion von Parlament und Öffentlichkeit darauf verfahren werden soll. Die Bekanntgabe der Stationierung soll erst nach dem Eintreffen der Raketen erfolgen. Der Guardian veröffentlicht die Nachricht und später den vollen Text des Memorandums. Sofort nach Publizierung fordert die Regierung die Zeitung auf, das Dokument zurückzugeben (als Eigentum der Regierung), damit die Quelle der Indiskretion gefunden werden kann. Der Guardian verweigert das. Die Regierung läßt den Guardian durch das Oberste Gericht noch einmal auffordern, der Guardian legt Berufung dagegen ein.
15.Dezember 1983: Das Revisionsgericht bestätigt die Entscheidung des Obersten Gerichts. Es weist das Argument der Zeitung zurück, daß Journalisten ihre Quellen schützen dürfen, ein Prinzip, das im Contempt of Court Act (Mißachtung der Würde des Gerichts) von 1981 niedergelegt ist.
9.Januar 1984: Gegen Sarah Tisdall, eine 23jährige Büroangestellte des Außenministeriums, wird Anklage erhoben nach §2 des Official Secrets Act. Während sie es fotokopierte, war ihr die Gewichtigkeit des Memorandums zu Bewußtsein gekommen, und sie hatte entschieden, die Öffentlichkeit müsse wissen, „was da durch die Hintertür auf sie zukommt“. Sie hielt die Pläne des Verteidigungsministers für „unanständig“ und „unmoralisch“.
23.März 1986: Sarah Tisdall wird von einem Bezirksgericht in London zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Die Jungen Liberalen ernennen sie später zu ihrer Ehrenpräsidentin. Der Fall Clive Ponting
Im Zusammenhang mit dem Falkland-Krieg bleiben Fragen von Parlamentsmitgliedern, Partei-Ausschüssen und Wissenschaftlichern Beratern an die Regierung betreffs der genauen Umstände der Versenkung des argentinischen Schlachtschiffes Belgrano am 2.Mai 1986, bei der 68 Menschen den Tod fanden, hartnäckig ohne Antwort.
März/Juli 1984: Clive Ponting, ein hochrangiger Beamter des Verteidigungsministeriums, nimmt an einer Reihe von Treffen im Ministerium teil, deren Ziel es ist, die Enthüllung aller Tatsachen im Belgrano-Fall zu verhindern. Er wird beauftragt, zwei Memoranden zu schreiben, von denen das eine alle Tatsachen, das andere eine Skizze der zu veröffentlichenden Variante enthalten soll. Ponting ist darüber besorgt, daß das Parlament irregeführt werden soll, und schickt zwei Memoranden dieser Treffen, die beide die Vertuschungsversuche des Verteidigungsministeriums zum Inhalt haben, an den Labour-Abgeordneten Tom Dalyell, der die Regierung wiederholt zur Belgrano-Affäre befragt hatte. Dalyell veröffentlicht die Dokumente und gibt sie weiter an den Verteidigungsausschuß des House of Commoms, das sie dann ans Verteidigungsministerium zurückleitet.
9.November 1984: Ponting wird vor einem Geschworengericht in London nach §2 des Official Secrets Act angeklagt. Er bekennt sich nicht schuldig. Seine Verteidigung ist, daß seine Verantwortung gegenüber dem Intertesse des Staates von höherem Rang sei als Loyalität gegenüber dem Minister der Stunde. Parlament und Öffentlichkeit irrezuführen sei nicht Teil seines Auftrags.
10.Februar 1985: Richter McCowan, der den Vorsitz im Ponting - Prozeß hat, wendet sich an die Jury und führt aus, daß im Gesetz das Staatsinteresse identisch sei mit der Politik der Regierung der Stunde, dabei nahelegend, daß Pontings
Verteidigung nicht akzeptabel sei.
11.Februar 1985: Trotz solcher Beeinflussungsversuche durch den Richter spricht die Jury Ponting einstimmig frei. Das Gesetz Police and Criminal Evidence
von 1984
Mit den in diesem Gesetz, kurz PACE genannt, garantierten neuen Befugnissen kann die Polizei durch Gerichtsbescheid Zeitungen, freie Fotografen und Sendeanstalten dazu zwingen, auch nicht-veröffentlichtes und vertrauliches Matarial Filmaufnahmen, Notizbücher, Tonbänder, Fotos etc. herauszugeben. Viele Journalisten argumentieren, daß PACE zu weit in die Freiheit der Presse eingreift und zudem die Gefahr für ihre Sicherheit erhöht. Während sie bei der Berichterstattung über Unruhen und Demonstrationen allemal schon körperlich gefährdet seien, müßten sie nun mit zusätzlicher Bedrohung rechnen, wenn sie nämlich als Polizei -Agenten wahrgenommen würden und in der Tat ja zur Herausgabe möglichen Beweismaterials gezwungen werden könnten.
Bristol 1986: Nach gewalttätigen Unruhen im St.-Paul -Stadtteil von Bristol im September 1986 werden die BBC und die unabhängige Fernsehstation HTV-West von Richter Stuart -Smith in einer Gerichtsverhandlung in Exeter aufgefordert, ungesendetes Filmmatarial auszuhändigen; die Zeitungen Western Daily News , Evening Press und die Presse- und Fotoagentur von Bristol mußten unveröffentlichte Fotografien herausgeben.
Wapping 1987: Am 24. Januar kommt es anläßlich des 1. Jahrestages der Entlassung von 5.500 Druckern zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten vor dem Produktionsgebäude von News International in Wapping, London. Die BBC war unter denen, die sich danach in aller Form über brutales Vorgehen der Polizei beschwerten; daraufhin wird eine Untersuchung unter dem Chief Superintendent Wyrko von der Northhamptonshire -Polizei eingeleitet. Wyrko bat mehrere Medien um Herausgabe von Fotos; einige verweigerten die Kooperation und wurden gerichtlich belangt. Unter denen, die sich dem Ansinnen verweigerten, waren The Independent, The Mail on Sunday, The Observer, Independent Television News, Thames News und vier freie Fotografen: Andrew Moore, Jason Gold, Ilkay Mehmet und Andrew Wiard. Die BBC gab Film-Material heraus.
23.November 1987: Die Krone (für Wyrko) verlangt individuelle Anhörung unter Auschluß der Öffentlichkeit, der Richter entscheidet auf gemeinsame und öffentliche Verhandlung der Fälle. Der Vertreter der Krone versucht daraufhin, eine Revision der Entscheidung zu erreichen, ändert dann seine Meinung und verursacht eine Verzögerung von sechs Monaten.
23.Mai: Der Fall wird unter Vorsitz von Richter Alliott angehört, der die Angelegenheit als eine seine Ermessens definiert - d.h. daß er das öffentliche Interesse an der Verfolgung von Schuldigen und Freispruch von Unschuldigen gegen das öffentliche Interesse an einer freien und unabhängigen Presse abzuwägen hat. Er entscheidet, es sei im öffentlichen Interesse, das Material an die Polizei auszuhändigen und daß hiermit weder das Risiko von Fotografen und Kamrealeuten erhöht werde noch in irgendeiner Weise die Freiheit und Unabhängigkeit der Presse prinzipiell unterhöhlt sei.
26.Juli 1988: Die vier freien Fotografen werden der Mißachtung des Gerichts angeklagt, da sie, so die Polizei, nicht alles in ihrem Besitz befindliche Material ausgehändigt haben. Die Fotografen sagen aus, sie hätten alles in ihrem Besitz befindliche übergeben, nachdem sie bereits im September 87, also erheblich früher, den größten Teil ihres Materials an die Internationale Journalisten -Gewerkschaft gegeben haben, die dies dann an die Internationale Journalistenvereinigung in Brüssel weitergeleitet habe. Die anderen beteiligten Parteien Independent etc. - haben inzwischen ihr Material in offenbar befriedigender Weise ausgehändigt. Der Fall der Fotografen wird im Oktober dieses Jahres weiterverhandelt.
Ähnliche Vorgänge sind aufgrund des Financial Secrets Act zu erwarten, wie der Fall des Wirtschaftsjournalisten beim Independent, Jeremy Warner zeigt.
Februar 1988: Von Jeremy Warner wurde seit Anfang 1987 von einem Regierungsinspektor die Nennung von Informanten verlangt, und zwar in Verfolgung von Wirtschaftsverbrechen (Insiderhandel). Ein erstes Urteil samt Revisionsverfahren hatten das Verlangen des Inspektors als rechtmäßig nach dem Financial Service Act bestätigt. Warner wiedersetzt sich und wird wegen Mißachtung des Gerichts zur Zahlung von 20.000 Pfund Sterling (ca. 66.000 DM) verurteilt. Eine Möglichkeit zur Revision des Urteils besteht nicht mehr, da auch das House of Lords bereits die Rechtmäßigkeit der Anwendung des Gesetzes auch gegenüber der Presse anerkannt hat. Ist das Gesetz ein Esel? - Spycatcher-Saga
Im Februar 1984 wird Peter Wright, früheres Mitglied der Abteilung MI5 im britischen Geheimdienst, von Granada-TV interviewt. Das daraus folgende Programm The Spy Who Never Was, wurde am 16.Juli 1984 gesendet und enthielt Teile der später im Buch Spycatcher wiederholten Anschuldigungen - besonders Wrights Vermutung, der frühere Chef von MI5, sir roger Hollis, sei ein sowjetischer Agent gewesen. Die Sendung geht ohne Beanstandung auf den Äther. 1985 legt Wright dem Verlagshaus William Heinemann, Australien, das fertige Manuskripts seines Buches Spycatcher vor.
Unter
September 1985: Der General-Staatsanwalt des Vereinigten Königreichs sucht in New South Wales, Australien, eine gerichtliche Verfügung gegen Peter Wright zu erwirken. Das Gericht ordnet an, daß weder Wright noch sein Verleger während des laufenden Verfahrens die im Manuskript erhobenen Vorwürfe öffentlich machen dürfen.
22. - 23. Juni 1986: Die Zeitungen Guardian und Observer veröffentlichen in London Teile der in Spycatcher angestellten Vermutungen.
11. Juli 1986: In London wird dem Guardian und dem Observer per gerichtlicher Verfügung verboten, Informationen weiterzuverbreiten, die Peter Wright in seiner Eigenschaft als MI5-Mitglied erhalten hat. 26. Juli 1986: Die britische Regierung erwirkt eine einstweilige Verfügung gegen die Publikation von Spycatcher in Australien.
17. November 1986: Der Rechtsstreit für Australien beginnt vor einem Gericht in New South Wales.
13.März 1987: Peter Wright gewinnt vor Gericht und darf Spycatcher in Australien veröffentlichen. Richter Powell sagt, das Buch habe „für die heutige Zeit keine Relevanz„; die britische Regierung geht in Revision.
27.April 1987: Die britischen Zeitungen The Independent, London Evening Standard und London Daily News publizieren die in Spycatcher enthaltenen Vorwürfe.
29. April 1987: Generalstaatsanwalt Michael Havers läßt ein Verfahren wegen Mißachtung des Gerichts gegen die drei Zeitungen einleiten, wie voeher schon entsprechend gegen Guardian und Observer, die bereits seit Juli 1986 nicht mehr über den Inhalt von Spycatcher berichten dürfen.
7. Mai 1987: Sir Nicholas Brown-Wilkinson, Vorsitzender der Amtsvormundschaft des Obersten Gerichts, lehnt die Verfolgung der Sache gegen Independent, London Evening News und London Daily News ab mit der Begründung, Sir Michaels Antrag habe keine Aussicht auf Erfolg, da die Verfügung gegen Guardian und Observer nicht summarisch auch für andere Zeitungen gegolten habe. Die Regierung geht in Revision.
14. Mai 1987: In den USA gibt der Verlag Viking Penguin seine Absicht bekannt, Spycatcher für den Vertrieb in den USA zu publizieren.
2. Juli 1987: In London veröffentlicht die Sunday Times Auszüge aus Spycatcher und wird wegen Mißachtung des Gerichts angeklagt.
13. Juli 1987: Spycatcher kommt bei Viking Penguin in den USA heraus. Exemplare finden ihren Weg auch nach Großbritannien. Das Verlagshaus gehört der britischen Verlagsgruppe Pearson plc, deren Vorsitzender Lord Blakenham von der britischen Regierung um Nichtpublikation von Spycatcher in den USA gebeten worden war. Lord Blakenham lehnte das ab, akzeptierte jedoch, das Buch nicht an Penguin-Buchläden in Großbritannien auszuliefern.
15. Juli 1987: Das Revisionsgericht urteilt, daß die Zeitungen Independent, Standard und Daily News wegen Mißachtung des Gerichts verklagt werden dürfen, da sie Kenntnis hatten von den Verfügungen gegen Guardian und Observer. Der Independent hält dies gegen einen Mißbrauch von gerichtlichen Verfügungen, und seine Revision hiergegen ist bis heute nicht entschieden.
22. Juli 1987: Das Oberste Gericht hebt das Verbot gegen Guardian und Observer auf mit der Begründung, daß die Zensur gegen sie „aus dem Gesetz einen Essel“ macht, da Spycatcher in den USA ohnehin im freien Verkauf erhältlich ist. Die Staatsanwaltschaft geht in Revision.
24. Juli 1987: Ein Revisionsgericht erlaubt mit sehr vagen Formulierungen die inhaltliche und auszugsweise Veröffentlichung von Spycatcher. Niemand ist damit zufrieden. Die höchste juristische Instanz des Landes, das House of Lords, wird eingeschaltet.
30. Juli 1987: Die Law Lords heben die Entscheidung vom 24.Juli vollständig auf. Alle Verfügungen sollen in Kraft bleiben bis zur Entscheidung in der Sache selbst, wenn nämlich die Staatsanwaltschaft das endgültige Publikationsverbot durchzusetzen hofft.
24.September 1987: Vor dem australischen Revisionsgericht in New South Wales verliert das Vereinigte Königreich seinen Prozeß. Die Revisionsrichter entscheiden, daß Richter Powell zu recht geurteilt habe, daß kSpycatcher keine Gefährdung der nationalen Sicherheit Australiens beinhalte und keine neuen Geheimnisse enthüllt. Die britische Regierung zieht vors Oberste Gericht in Australien.
29.September 1987: Das Oberste Gericht Australiens lehnt den Antrag der britischen Regierung auf gerichtliche Verfügung ab, Spycatcher während des laufenden Verfahrens keine Publikation in Australien zu erlauben. Das Buch wird dort nun innerhalb weniger Wochen in Gänze veröffentlicht. Guardian und Observer beantragen beim Obersten Gericht in London die Eröffnung des Verfahrens, um die Verfügungen gegen sie anfechten zu können.
13. Oktober 1987: Die Regierung fordert den Londoner Buchladen Compendium zu einer schriftlichen Zusicherung auf, keine Exemplare von Spycatcher mehr zu verkaufen.
16. Oktober 1987: Dem Derbyshire-County-Council (Bezirksregierung von Derbyshire) wird per Oberstem Richter die Erlaubnis verweigert, Spycatcher in seinen Bibliotheken zugänglich zu machen.
16. November 1987: In Wellington, Neuseeland, beginnt der von der britischen Regierung gegen die Zeitung Dominion angestrengte Prozeß wegen ihrer auszugsweisen Veröffentlichungen aus Spycatcher.
15. Dezember 1987: Das Oberste Gericht von Neuseeland lehnt den Antrag der britischen Regierung auf permanente Verfügung gegen den (kursiv) Dominion ab.
23.November - 21.Dezember 1987: Das von Guardian und Observer angestrengte Verfahren gegen die einstweiligen Verfügungen findet im Obersten Gericht in London statt. Noch vor der Eröffnung werden die Zeitungen ersucht, nicht über das Verfahren zu berichten soweit es den Inhalt von Spycatcher betrifft; sie lehnen ab. Per gerichtlicher Verfügung werden die Grenzen der Berichterstattung über das Gerichtsverfahren auferlegt, am 26.November jedoch wieder aufgehoben; damit kann die Presse über alle Wright -Behauptungen, die im Verfahren eine Rolle spielen, berichten.Richter Scott kommt zu dem Schluß, daß die Regierung sinnvoll keine permanenten Verbote gegen die Zeitungen mehr aussprechen känne, da Spycatcher inzwischen weltweit zugänglich geworden sei. Der Staatsanwalt legt Berufung ein, die einstweiligen Verfügungen sind damit wieder in Kraft.
10. Februar 1988: Drei Revisionsrichter halten einstimmig das Urteil des Obersten Gerichts aufrecht, daß die einstweiligen Verfügungen gegen Guardian und Observer nicht zu permanenten Verboten werden sollen. Die Richter heben auch das Verbot eines Spycatcher-Abdrucks in Fortsetzungen gegen die Sunday Times auf. Die Regierung appelliert an das House of Lords.
April 1988: Das neuseeländische Revisionsgericht lehnt den Antrag der britischen Regierung auf Einschaltung des Privy -Council ab.
2. Juni 1988: Das australische Oberste Gericht in Canberra urteilt einstimmig gegen ein Verbot der Publikation von Spycatcher mit der Begründung, daß das Verbot nicht durch ihre Gerichte durchsetzbar wäre. Im Obtober 1988 wird das Urteil des House of Lords erwartet darüber, ob die einstweiligen Verfügungen gegen Guardian und Observer zum permanenten Verbot werden. Clause 28 - Angriff auf Homosexuelle
Am 28.März 1988 wird im House of Commons ein revidiertes Local Authorities Bill (das Aufgabe und Rechte der kommunalen Behörden neu regelt) verabschiedet, in dem ein Paragraph (Clause 28) folgendes ausführt: „Eine kommunale Behörde darf nicht: a) intentional Homosexualität fördern oder Material, das Homosexualität fördert, publizieren; b) Unterricht an öffentlichen Schulen fördern, der die Akzeptanz von Homosexualität als vorgegebene Familienbeziehung unterstützt. In allen hieraus sich ergebenden Verfahren bezüglich der Anwendung dieses Absatzes soll einem Gericht über die Feststellung der Intention einer kommunalen Behörde das Urteil zustehen. Zusatz: Nichts im Unterabsatz 1 festgestellt soll dazu benutzt werden, Maßnahmen zur Behandlung von Krankheiten oder gegen ihre Verbreitung zu verbieten.“
In einem Kommentar hierzu bemerkte die Organisation Article19 im April 1988, daß „jede Restriktion des Versuchs einer Minderheit, ein wahrheitsgetreues Bild von sich zu präsentieren“, eine untragbare Begrenzung des Rechtes auf Information beinhaltet und daß der Paragraph, indem er solche Restriktionen auferlegt, gegen Artikel 10 des Internationalen Abkommens über Ziviles und Politisches Recht verstößt ebenso wie gegen Artikel 19 der Europäischen Menschenrechtskommission (beide von GB unterzeichnet), die sich beide durch großzügige Bestimmungen zur Meinungsfreiheit auszeichnen. Beide Artikel lassen Einschränkungen zu. Die Europäische Kommission konzidiert Eingriffe in die Informationsfreiheit als legitim, wenn sie 1. durch Gesetz vorgeschrieben sind, 2. zu Zwecken, wie sie unter Artikel 10 (2) der Komission umschrieben sind, z.B. zum Schutz von Gesundheit und Moral, und 3. erwiesenermaßen „notwendig in einer demokratischen Gesellschaft“ Article 19 argumentiert, daß der §28 auch in Hinsicht auf diese Bestimmungen nicht zu rechtferigen ist aus folgenden Gründen: 1. Die Formulierungen des Paragraphen ist zu unbestimmt, um unter die Bestimmung - durch Gesetz vorgeschrieben - fallen zu können. Insbesondere ist nicht deutlich, nach welchen Kriterien die Gerichte eine Äußerung oder Publikation als intentional Homosexualität fördernd beurteilen sollen. Unsicherheit in diesem Punkt jedoch könnte zur Selbstzensur bei kommunalen Behörden führen in allen Angelegenheiten, die Homosexualität betreffen, 2. Weder dürfen Informationen über homosexuelles Leben als für die öffentliche Moral schädlich unterstellt werden, noch stellen sie eine Gefahr für andere dar. Im Gegenteil, so argumentiert Article 19, werden die Rechte der anderen, einschließlich des Rechts auf Information und auf Meinungsfreiheit, von den durch Clause 28 eingeführten Maßnahmen ernsthaft gefährdet. 3. Laut dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (Fall Handyside vs Vereinigtes Königreich) impliziert das Wort „notwendig“ in der Formulierung „notwendig in einer demokratischen Gesellschaft“ die Existenz eines „sozialen Bedürfnisses von Dringlichkeit“. Article 19 argumentiert, daß kein „soziales Bedürnis von Dringlichkeit“ für Maßnahmen nach Clause 28 besteht. „Wir glauben im Gegenteil, daß wesentliche und gewichtige Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft, besonders Respekt vor Einzelnen und Minderheiten, durch Clause 28 ernsthaft in Gefahr geraten. Das gilt insbesondere für eine Zeit, in der Aids zu einem verzerrten Bild von Homosexualität geführt hat. Es könnte sogar sein, daß ein dringliches soziales Bedürfnis eher für die Verstärkung des Schutzes dieser Gruppe existiert als für die Ausweitung von Restriktionen ihrer wahrheitsgemäßen Selbstdarstellung.“ Schüsse in Gibraltar
6.März 1988: In einer Straße in Gibraltar werden drei unbewaffnete IRA-Leute - Mairead Farrell, Sean Savage und Daniel McCann - vom Special Air Service) SAS erschossen. Sie werden als „Aktivisteneinheit“ beschrieben, die sich in Gibraltar aufhielt, um einen Bombenanschlag vorzubereiten. Es existieren Berichte, daß auf die drei ohne Vorwarnung geschossen wurde; ein Augenzeuge sagt außerdem aus, auf mindesten einen seien wiederholt Schüsse abgegeben worden, nachdem er bereits verletzt am Boden lag.
29. April 1988: Thames Television sendet die Dokumentation Death on the Rock, in der die vorher nicht vernommene Zeugin Carmen Proetta aussagt, sie habe gesehen, wie auf zwei der IRA-Leute, die ihre Hände erhoben hatten, ohne Vorwarnung geschossen worden sei. Mrs.Thatcher denunziert die Sendung als „Prozeß per Fernsehen„; in Gibraltar wird das Programm verboten.
5.Mai 1988: In dem (nur in Nordirland gesendeten) BBC -Programm Spotlight wird der Augenzeuge Stephen Bullock, ein Rechtsanwalt, interviewt; seine Aussagen ergeben weitere Hinweise auf eine shoot-to-kill-Politik (in neudeutsch: finaler Todesschuß; U.R.) des SAS; auch er sagt, es sei keinerlei Vorwarnung gegeben worden. Außenminister Sir Geoffrey Howe ist nach dem Programm „sehr ernsthaft beunruhigt, daß es überhaupt gesendet wurde“.
8. Mai 1988: Sechs Jugendliche, die in der Nähe des Tatorts Basketball gespielt haben, sagen aus, sie hätten vor den Schüssen gehört, wie die SAS-Männer die IRA-Leute vorgewarnt hätten. Rechtsanwälte in Gibraltar zeigen sich zunehmend besorgt über den angeblichen Mangel an Sorgfalt seitens der Polizei, in diesem Fall die korrekten Untersuchungsverfahren anzuwenden. Entscheidende Augenzeugen wie Carmen Proetta und die Ehefrau von Stephen Bullck sind weiterhin noch nicht vernommen. Das Gerücht macht sich breit, daß eine „Reinwaschung“ des Vorfalls durch die britische Regierung stattfindet.
5. Juli 1988: Ein Rechtsanwalt des Verteidigungsministeriums gibt dem Untersuchungsausschuß in Gibraltar bekannt, daß die SAS- Soldaten in der anstehenden Untersuchung nur hinter einem Schirm oder in einer geschlossenen Video -Kreisschaltung, die ihre Identität schützen, aussagen werden. Der Untersuchungsbeamte fordert, daß die Soldaten offen aussagen, kann sie jedoch nach in Gibraltar geltendem Recht nicht vorladen.
6.Juli 1988: Der Untersuchungsbeamte in Gibraltar lehnt einen Antrag des Verteidigungsministeriums an, die SAS -Soldaten von der Jury und den REchtsanwälten abzuschirmen mit der Begründung, eine solche Abschirmung würde das Verfahren mindestens „fehlerhaft“, wenn nicht „bedeutungslos“ machen.
29.Juli 1988: Das Verteidigungsministerium verkündet, die sieben an der Tätung der IRA-Leute beteiligten SAS-Soldaten würden offen ihre Aussagen machen, jedoch sofort zurückgerufen, falls Zweifel an ihrer Sicherheit auftreten. (Das Verfahren in seit Anfang September in Gibraltar eröffnet.)
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