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Tietmeyer-Anschlag weiter umnebelt

Ungereimtheiten in puncto Echtheit der Bekennerschreiben bleiben bestehen / Bundesanwaltschaft bekräftigt Behauptung, die RAF sei verantwortlich für die Schüsse auf das Auto von Staatssekretär Tietmeyer  ■  Von Petra Bornhöft

Berlin (taz) - Drei Tage nach den Schüssen auf das Auto von Finanzstaatssekretär Hans Tietmeyer am vergangenen Dienstag halten die Ermittlungsbehörden an ihren ersten Erklärungen fest. In einem fünf Kilometer vom Tatort entfernt gefundenen PKW entdeckten die Fahnder Krähenfüße, Verkehrswarnwesten, Meßlatten und ein „Bezichtigungsschreiben“, dessen genauer Inhalt aber nicht bekannt gegeben wurde. Wie der Sprecher der Bundesanwaltschaft, Prechtel, gestern mitteilte, habe der mit falschen Kennzeichen ausgestattete Mietwagen keine Spur „zu bestimmten Personen“ gezeigt.

Gleichwohl ist die Bundesanwaltschaft (BAW) davon überzeugt, daß es sich bei den Tätern nur um die „Rote Armee Fraktion“ (RAF) handeln könne. Die Ermittler hätten die „Kommandoebene der RAF“ in Verdacht, aber „wer von denen das war, können wir zur Zeit noch nicht sagen“, meinte Prechtel.

Trotz der laut gewordenen Zweifel an der Echtheit der Bekennerbriefe beharrt die BAW auf ihrer Ansicht, die bei Agenturen und Zeitungen eingegangenen Zettel stammten aus Schreibmaschinen der RAF. Zur Begründung dafür, daß insbesondere auch jenes zweite mit RAF unterzeichnete Schreiben echt sei, in dem es hieß, die Erschießung Tietmeyers sei gescheitert, weil die Maschinenpistole „geklemmt“ habe, sagte Prechtel: „Es gibt nicht die Linie: alles, was nicht den Stern hat, ist auch nicht RAF und alles, was sich nach einem fehlgeschlagenen Anschlag meldet, ist nicht RAF. Für all dieses gibt es Gegenbeispiele.“

So habe sich die RAF nach dem mißglückten Anschlag auf die Nato-Schule in Oberammergau am 18.Dezember 1984 mit einer Erklärung gemeldet, auf der ebenfalls der RAF-Stern gefehlt habe. Hamburgs Verfassungsschutzchef Christian Lochte will es ebenso genau wissen: „Das Bekennerschreiben ist authentisch. Der Stil ist nüchtern und klar. Das ist O -Ton.“

Zu der für die RAF höchst ungewöhnlichen Diktion des ersten Schreibens sagte Prechtel gegenüber der taz lediglich: „Gewisse Abweichungen in der Diktion sprechen nicht gegen unsere These. Es gab eine lange Pause bei der RAF, das war sicherlich eine Denkpause.“

„Sicherheitsexperten“ recherchierten den zunächst unbekannten Namen „Kommando Khaled Aker“, mit dem der Brief unterzeichnet ist. Demnach sei Khaled Aker jener Palästinenser gewesen, der am 25.November 1987 mit einem Motordrachen im nordisraelischen Grenzgebiet landete und sechs israelische Soldaten tötete, bevor er erschossen wurde.

Unterdessen mehren sich die Spekulationen über die Zusammenarbeit von RAF und den italienischen Roten Brigaden. Anlaß dazu gab das dem ersten Bekennerschreiben beigefügte Papier der beiden Gruppen. Diese Erklärung, in der die Rede von einer „gemeinsamen Offensive“ ist, wurde bereits vor 14 Tagen in italienischen Zeitungen veröffentlicht, nachdem Carabinieri vier Wohnungen in Rom und Umgebung durchsucht und 23 Personen verhaftet hatten.

Nach Angaben eines Sprechers der Staatsanwaltschaft Rom gegenüber der taz handelte es sich bei dem in Bonn aufgetauchten Papier um eine wörtliche Übersetzung des in Italien publizierten und auch den bundesdeutschen Behörden nicht unbekannten Dokuments. Im laufenden Moro-Prozeß scheiterte vorgestern der Angeklagte Sergio Padula, der dem „harten Kern“ der Roten Brigaden zugerechnet wird, bei dem Versuch, die Erklärung vorzulesen, die er vermutlich aus den Zeitungen abgeschrieben hatte.

RAF und Rote Brigaden sollen angeblich schon länger wieder in Kontakt getreten sein. Ein deutscher „Sicherheitsexperte“, der seinen Namen nicht preisgab, sagte gestern gegenüber 'ap‘, man habe am 15.Juni in einer Mailänder „konspirativen Wohnung“ nach der Festnahme von neun Brigadisten Teile eines Briefes gefunden, in denen die RAF gefragt habe, „ob die brigate rosse ihre Versuche mit panzerbrechenden Waffen weitergeführt hätten und was dabei herausgekommen sei“. Allerdings räumte der namenlose Experte ein, es gebe keine Hinweise auf tatsächlich gemeinsam geplante oder ausgeführte Anschläge.

Demgegenüber hatte Hamburgs Verfassungsschutz-Chef Lochte behauptet, „alle Verfassungsschutzämter von München bis Kiel, aber auch alle anderen Sicherheitsbehörden“ seien sich nach Bekanntwerden der gemeinsamen Erklärung „vor dem Tietmeyer-Attentat darüber klar gewesen, daß Anschläge wieder möglich“ seien.

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