: Weder Ananaszüchter noch Bundeskanzler
■ Mit Franz Josef Strauß stirbt der liebste Feind der bundesdeutschen Linken
„Wenn die Union mich absägt, ist sie nur noch die Hälfte wert“, war Strauß von sich überzeugt. Nun, da höheren Orts gesägt wurde, wird sich das erweisen müssen. Vielleicht aber wird aus den Reihen der CDU in Bonn ein klammheimliches Dankeschön gen Himmel flattern, daß der grantige Alte aus München das Feld geräumt hat.
Mit Strauß hat sich eine einmalige Nachkriegs-Mischung aus brutaler Hemdsärmligkeit und monarchistischem Repräsentationswahn verabschiedet, ein Mann der sich nicht nur bei seinem Einsatz für die Privatflieger als reinstes Scheidewasser dieser Republik erwiesen hat. Skandale und Affären säumten den Weg des politischen Freistilringers und liebsten Feindes der westdeutschen Linken, den sein Intimfeind Herbert Wehner einst einen „geistigen Terroristen“ nannte. Nachdem Franz-Josef Strauß Ende 1962 wegen seiner illegalen Aktivitäten bei der Festnahme eines Spiegel-Redakteurs in Spanien seinen Hut nehmen mußte, dauerte es nur vier Jahre, bis er für die SPD in der großen Koalition als Finanzminister wieder tragbar war.
Für die 269 Starfighter-Abstürze, die eine Folge der vom Verteidigungsminister Strauß in den Jahren 1956 bis 1962 ungestüm und technisch mangelhaft betriebenen Aufrüstung der Luftwaffe war, wurde er nie zur Verantwortung gezogen. Unaufgeklärt blieben auch seine Verstrickungen bei der dubiosen Beschaffung des ungeeigneten „Schützenpanzers HS 30“, seine Beziehungen zum schmiergeldzahlenden Flugkonzern „Lockheed“ und seine Rolle im Mordfall Vera Brühne. Beim angeblichen Doppelmord aus Eifersucht gab es nach der Verurteilung von Frau Brühne Anfang der sechziger Jahre immer wieder Hinweise auf illegalen Waffenhandel und Geheimdienstaktivitäten.
Die Karriere des 1915 geborenen Strauß begann nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Amis ihn als Landrat im bayerischen Schongau einsetzten. Wenige Jahre später war der ehemalige bayerische Landesmeister im Radfahren schon bis zum Generalsekretärsposten der CSU gestrampelt; 1953, als Atomminister in Bonn angelangt, wurde er der Geburtshelfer für die Atomindustrie.
Strauß, das war der brachial-Rethoriker vor dem Bundestag, das war der polternde Volkstribun im Kreuther Bierzelt, das war der bedingungslose Antikommunist, der Freund aller Diktaturen zwischen Chile und Südafrika. Und dennoch sorgte Strauß immer wieder für Kapriolen am politischen Himmel, die Freund und Feind gleichermaßen verwirrten. Nachdem er noch während der sozial-liberalen Koalition das Verfassungsgericht gegen die Ost-Verträge anrief und grollte: „Wir können doch nicht unseren eigenen Selbstmord finanzieren“, sorgte er 1983 selber für einen Milliardenkredit an die DDR. Zum Entsetzen aller bundesdeutschen Revolutionäre wurde der eingefleischte Reaktionär Strauß 1975 von Mao Zedong empfangen. Lieber hörte man bei der Linken schon von seinem mißglückten Besuch bei einer New Yorker Nutte, die ihm die Brieftasche klaute.
Vergessen waren seine Worte aus den sechziger Jahren, er wolle lieber Ananaszüchter in Alaska werden als Bundeskanzler, als er ebendiese Kandidatur mit der Brechstange bei der CDU durchsetzte. Doch die Wahl im Oktober 1980 geriet zu einer an der Person Strauß entzündeten politischen Polarisierung der Bundesrepublik, brachte der Union deutliche Stimmenverluste ein und bescherte Strauß einen Tiefpunkt seiner Karriere.
Danach benutzte er zwar immer wieder die seit 1978 besetzte Basis als bayerischer Ministerpräsident, um die Parteifreunde in Bonn zu beschimpfen, den von Kohl nach der Wende angebotenen Sessel des Verteidigungsministers aber wollte er nicht haben: Der Außenministerjob sollte es schon sein; das aber mochte Genscher nicht - und durfte sich deshalb seit Jahren über den selbsternannten Außenminister Strauß - so bei dessen Südafrika-Besuch im Frühjahr 1988 die Haare raufen.
Aufs engste verknüpfte Strauß immer seine politischen Ämter mit dem Aufbau des militärisch-industriellen Komplexes. Der Lizenzbau des Starfighters war der erste Serienbau eines Flugzeugs nach dem Krieg. Als Aufsichtsratsvorsitzender des europäischen Airbus-Konsortiums schaufelte er insgesamt 11 Milliarden Mark Steuergelder in das Unternehmen. Zuletzt betätigte sich der Bayer als Architekt einer Fusion des Rüstungskonzerns MBB mit Daimler-Benz.
Wer noch einmal ein Gewehr in die Hand nehmen will, dem soll die Hand abfallen, hatte Strauß nach dem Krieg gesagt. Daß ihn der Schlag gerade bei der Jagd erwischt hat, muß Strauß nun mit seinem Herrgott ausmachen.
Gerd Nowakowski
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