: Die Fascho-Mafia-Connection
In Italien begann der Prozeß wegen des Attentats auf den Schnellzug Mailand-Neapel 1984/ Neofaschisten, Mafia und Camorra verstrickt/ Wichtige Angeklagte flüchtig ■ Aus Rom Werner Raith
In Florenz hat gestern der Prozeß wegen des Anschlags auf den Schnellzug Mailand-Neapel vom 23.Dezember 1984 begonnen.
Damals waren 15 Menschen getötet und 200 verletzt worden. Erstmals soll bei diesem Verfahren das Zusammenspiel von Rechtsterrorismus, Mafia und Camorra bewiesen werden.
Nach Ansicht des anklagenden Untersuchungsrichters Pierluigi Vigna, der bereits eine Reihe anderer neofaschistischer Attentate wie etwa die Sprengung des Bahnhofs Bologna 1980 aufgeklärt hat, soll der später ermordete 17jährige Neapolitaner Carmine Lombardi die Bombe 1984 im Auftrag des Camorra-Bosses Giuseppe Missi gelegt haben. Missi zählte bis zu seiner Festnahme 1986 zu den wichtigsten Bossen der „Nuova famiglia“, die den Großteil des neapolitanischen Ostens beherrscht.
Der Sprengstoff für den Anschlag soll von dem ehemaligen neofaschistischen und neapolitanischen Stadtrat Massimo Abbatangelo organisiert worden sein. Abbatangelo, der oft in Schlägereien und Anschläge verwickelt war - er mußte sogar als Abgeordneter wegen eines Attentats auf einen Polizeiposten ins Gefängnis - ist 1987 untergetaucht, nachdem er nicht mehr ins Parlament gewählt worden war.
Ebenfalls flüchtig ist Friedrich Schaudin, ein Österreicher jugoslawischer Herkunft, der sich vergangene Woche aus dem Hausarrest in Italien ins Ausland absetzte.
Er soll nach staatsanwaltlicher Erkenntnis den Zünder für die Höllenmaschine gebastelt haben - allerdings weder für Missi noch für Abbantangelo, sondern für den Rom-Residenten der sizilianischen Mafia, Pippo Calo, in dessen Wohnung bei seiner Verhaftung mehrere Exemplare des Auslösers gefunden worden waren. Calo, auch „Kassier der Mafia“ genannt, soll zusammen mit Abbantangelo der eigentliche Auftraggeber des Anschlags gewesen sein.
Die Mafia durchlebte seinerzeit schwere Zeiten, weil kurz zuvor der „Kronzeuge“ Tommaso Buscetta ausgesagt hatte und Hunderte Mafiosi verhaftet worden waren. Untersuchungsrichter Vigna vermutet, daß mit dem Anschlag in Mittelitalien die Aufmerksamkeit von Sizilien abgelenkt und gleichzeitig der neofaschistischen Rechten wieder „Ansehen“ als machtvolle Untergrundorganisation verschafft werden sollte.
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