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„Mit den Deutschen konkurrieren“

Veli Mete, Lebensmittelhändler, Vorsitzender des Türkischen Kaufleutevereins und Mitarbeiter eines Reisebüros zu den Chancen des türkischen Kleingewerbes  ■ I N T E R V I E W

taz: Herr Mete, glauben Sie, daß sich das türkische Kleingewerbe in den kommenden Jahren zu einer relevanten wirtschaftlichen Faktor mausern wird?

Veli Mete: Ich fürchte nein. Die Existenzen sind zu unsicher. Warum sind denn die ganzen deutschen Tante-Emma -Läden schon vor zehn Jahren eingegangen! Wer wirklich Geld hat, investiert außerdem auch nicht in West-Berlin. Er investiert sein Geld in die Türkei.

In die Türkei? Sie meinen Rückkehrer?

Aber nein! Sehen Sie sich das Land an. (Mete weist auf die hinter ihm hängende Landkarte unter einem Photo von Atatürk.) Die Türkei hat jetzt endlich gemerkt, daß die Deutschen dort wegen des guten Wetters und der schönen Strände gern Urlaub machen. Touristisch ausgebaut ist das Land aber nur in Antalya und Bodrum. Anderswo gibt's kaum Hotels. Die türkische Küste ist touristisch noch jungfräulich.

Aber mit solchen Investitionen machen Sie doch die Kultur kaputt!

Ach was! Die Türken sind moderner, als Sie denken. Und wenn sie an den Deutschen verdienen wollen, müssen sie sich halt anpassen. Außerdem machen die Deutschen dort auch dicke Geschäfte.

Es hat aber nicht jeder das Geld, ein Hotel oder ein Restaurant an der türkischen Küste zu bauen. Was raten Sie den hier lebenden Gewerbetreibenden zur Verbesserung ihrer finanziellen Situation?

Sie sollten sich mehr auf die deutsche Kundschaft umstellen. Lebensmittelhändler sollten mehr deutsche Produkte verkaufen, andererseits den Deutschen aber auch mehr erklären, was man mit den türkischen Produkten machen kann, Kochrezepte anbieten oder so. Außerdem sage ich immer wieder: macht doch mehr Reklame. Wenn ihr 100 Mark habt, gebt 80 für Reklame aus und den Rest für Investitionen.

Und bei jungen Leuten, die sich überlegen, was sie machen wollen?

Sie sollten ein Handwerk erlernen. Sehen Sie, die deutschen Handwerker sind unzuverlässig. Keiner ist mit ihnen zufrieden. Die türkischen Handwerker sind dagegen billiger und zuverlässiger. Auf diesem Gebiet ist es leicht für sie, gegen die Deutschen zu konkurrieren. Handwerker gehen außerdem nie pleite, vor allem wenn sie für Reparaturen im Hause zuständig sind. Dann brauchen sie kaum Investitionen zu machen. Sie haben ihre Tasche mit den Geräten und gehen damit ausgerüstet zu den Kunden. Handwerker verdienen sich eine goldene Nase.

Interview: E.K.

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