: MILLIONEN FÜR DIE VOLKSKUNST
Hans Neuenfels hat den Etat der Freien Volksbühne überzogen, die Freude einiger Bürokraten ist groß: Künstler sind Chaoten und können nicht rechnen. Es ist eine Folge der Zeit, wann ihm auch noch vorgerechnet wird, wieviel Kindergärten man hätte bauen können... Der Ruf nach einem Aufpasser wird laut. Aber die gab es doch, aber offensichtlich haben sie nicht schnell genug gerechnet. Und was haben Aufpasser vom Ku'damm-Karee bis zum Steglitzer Kreisel schon alles in den Sand gesetzt. Neuenfels wird vorgehalten, man habe zu seinem Amtsantritt beim Volksbühnenetat kräftig draufgelegt. Sicher, aber das war bei dem seit Jahren unterfinanzierten Haus dringend notwendig. Was hat Neuenfals gemacht?
Ein paar Projekte, die er wohl etwas zu lange als versteinerte Embryos mit sich herumgetragen hat, und einige mutige, farbige, vitale Projekte. Keine Frage, wo ein Aufpasser zuerst zurückstutzen würde, weil es ihm ins Auge fällt.
Die Volksbühne ist mit ihren räumlichen und technischen Möglichkeiten für einen Serienspielplan konzipiert. Neuenfels hat eine Idee des früheren Direktors, Hansjörg Utzerat, aufgegriffen, der schon einmal versuchte, diesem Haus ein festes Ensemble zu geben und einen Spielplan mit täglich wechselnden Stücken aufzubauen.
Solch ein Umbau oder Neuaufbau kann zur Folge haben – in der Bauwirtschaft ist es die Regel –, daß Kalkulationen nicht eingehalten werden. Man muß die Gründe klären, einen realistischen und verbindlichen Finanzrahmen für die Zukunft festsetzen und überlegen, was man für sein Geld kriegt. Seit Jahrzehnten gibt es in Berlin eine Reihe gut dotierter Förderprogramme, mit denen versucht wird, Leute mit Phantasie nach Berlin zu locken oder gar ein paar Wochen oder Monate anzusiedeln.
Es gibt eine Flut von „beispielhaften“ Gastspielen. Aber Beispiel für wen? Neuenfels hat Mitarbeiter versammelt, mit denen er an Berliner Projekten arbeitet, die eine Chance haben, eines Tages exportfähig zu werden, um es im Jargon jener Handelsbilanzen auszudrücken, die in Berlin seit einiger Zeit ziemlich unausgeglichen sind.
Was seine Volksbühne teuer macht, ist der Versuch, mit einem festen Ensemble kontinuierlich zu arbeiten. Dieser Versuch sollte einer Kulturstadt einiges wert sein. Statt der Volksbühne einen Geldbewacher zu engagieren, könnte man vielleicht einen Geldbeschaffer anstellen, der sich nach 1,4 Millionen umsieht. Wenn man einen ganz flotten Burschen findet, braucht der doch nur in den Korridoren der Bauverwaltung zu lauern und dort die Leute mit den dicken Brieftaschen abzufangen.
Burkhard Mauer, Generalintendant am Nürnberger Theater und in der Ära Kurt Hübner Chefdramaturg an der Freien Volksbühne
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