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Frauentorso mit Männlein

„feminale“ in Nürnberg eröffnet / Umfangreiches Kultur- und Politprogramm  ■  Aus Nürnberg Wolfgang Gast

Der Auftakt der Nürnberger feminale war gelungen. Über 1.500 Frauen und Männer kamen zur Eröffnung des Frauenfestivals, und bis zum 30.Oktober soll ein umfangreiches Programm mit Podiumsdiskussionen, Kunst- und Kulturveranstaltungen folgen. Die Themen der feminale reichen vom Paragraphen 218 über Prostitution, von Pornographiedebatte bis zu „K.O.Edukation - ein heimlicher Stabilisator von Rollenklischees?“.

Mehr als 60 Gruppen - von einem Nürnberger Weltstadtwarenhaus über verschiedene Einzelgewerkschaften und Organisationen bis hin zu einzelnen KünstlerInnen unterstützen den „Initiativkreis feminale“, der seit Mai diesen Jahres das Programm aus dem Nichts gezaubert hat. Ziel der Veranstaltungsreihe mit dem Untertitel Die vermessene Frau und einem 144seitigem Katalog ist - so die Organisatorinnen - eine Bestandsaufnahme zur Situation der Frau und eine kontroverse Debatte über die Perspektiven der Frauenbewegung. „Vermessen“ fand auch die Nürnberger Stadtverwaltung den Antrag der Initiatorinnen, das Projekt mit 140.000 Mark zu unterstützen. Aber trotz Millionendefiziten im städtischen Haushalt machte sie immerhin 50.000 Mark Zuschuß locker.

Kostenlos Werbung für die Veranstaltungsreihe treibt zur Zeit ein Streit um das feminale-Plakat. Der überdimensionierte Torso einer nackten Frau, an dem bekleidete Männlein mit Leitern Vermessungsarbeiten vornehmen, provozierte den Protest feministischer Frauenprojekte - ein Streit, der in den Nürnberger Boulevardblättern genüßlich ausgeschlachtet wird. Selbst ein Anzeigenblatt mit einer Auflage nahe an der halben Million sorgt mit einer Titelgeschichte für ein stetiges Steigen des Bekanntheitsgrades.

Unter Nürnbergs feministischen Frauenprojekten ist die Meinung zum Frauenfestival, dessen Programm überwiegend auch dem männlichen Publikum offensteht, geteilt. Während beispielsweise das Feministische Frauen-Gesundheitszentrum an der feminale mit eigenen Veranstaltungen mitmacht, haben Projekte wie das Feministische Informations-, Bildungs - und Dokumentationszentrum und das Künstlerinnen-Archiv eine Teilnahme abgelehnt. Die angepeilte breite Öffentlichkeit scheint ihren Konzepten zuwiderzulaufen.

Daß ausgerechnet ein Mann die feminale am Donnerstag eröffnete, fanden viele BesucherInnen allerdings seltsam. Und daß Nürnbergs Oberbürgermeister Schönlein in seiner Laudatio eine „Neudefinition des Geschlechterverhältnisses über die Gleichberechtigung hinaus“ forderte, stieß so mancher Frau auf. Kommentar eines männlichen Besuchers: „Der soll früher mal Frau gewesen sein, munkelt man. Deshalb hat er die feminale eröffnen dürfen.“

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