: HAARPROBLEME
■ Besuch im HAIR, Friseurladen in der Gneisenaustraße
W. Müller: Susi, erzähl mir bitte etwas über deinen Laden.
Susi: Ich hab den Laden Anfang dieses Jahres aufgemacht. Erstmal wollte ich selbständig als Friseuse ein Geschäft führen und dann auch weg von dem Klischee, daß Friseure entweder schwarzes oder weißes Dekor haben. Ich mag's erschlagend bunt und unruhig.
(dreht seinen Kopf etwas): ...und was machst DU hier?
Kerl Fieser: Ich mache alles Graue, Braune und Farblose bunt und unruhig.
Die Decke wird auch immer bunter. Da könnte man den Laden ja beinahe schon „Kunst und Frisur“ nennen, so etwas wie „Weine und Fahrräder“?
Kerl Fieser: Die Bilder und die Plakatwand mit den Beatlesfotos sind von Susi und mir. Aber unsere Freunde und Bekannten können ihre selbstgemalten Bilder gerne mitbringen. Demnächst mache ich hier eine Experimentierecke auf. Da können alle kommen, ich gucke sie mir an: das Gesicht, den Kopf, die Kleidung - und dann mache ich was mit ihnen, je nachdem, kurz, lang, spitz, grell, bunt, fransig.
Das wäre ja richtig experimentelle Haarkunst mit echtem Risiko! Aber Susi wird doch auch sozusagen „normale“ Frisuren kreieren?
Susi: Natürlich, ich habe diesen Beruf ganz offiziell gelernt.
Du rätst deinen KundInnen zu langen Haaren. Das habe ich in der „Zitty-Mode-Sonderausgabe“ gelesen. Warum?
Das ist nur meine persönliche Meinung. Ich mag Männer mit langen Haaren, weil es kaum noch welche davon gibt.
Welche Technik bevorzugst du und wer zählt zu deiner Kundschaft?
Grundsätzlich fertige ich nie graduierte Haarschnitte an, sondern schneide immer verschiedene Längen, weil das Haar dann natürlicher fällt und nicht so nach Denver-Clan aussieht. Und die Leute, die kommen, das sind viele aus den Kneipen, z.B. Ex und Pop, Cafe Anfall - das ist gleich hier nebenan -, Kumpelnest, aber auch Dschungel und das Vegetarierrestaurant Türnagel, die Damen des Modesalons Scheederbauer und Leute von der DFFB. Aber natürlich viele andere und manchmal sogar Hausfrauen und Rentnerinnen, die eine Dauerwelle möchten. In der taz gibt's doch bestimmt viele mit langen Haaren, oder sehe ich das falsch? (Ja, die meisten haben Verrat begangen und mit der Heckenschere ihre Zotteln abrasiert! Und jetzt sehen sie völlig daneben aus!! d. säzzer) Die sollen doch mal einen Termin bei mir machen. Aber jetzt muß ich wieder weiterarbeiten. Zum Glück arbeite ich nicht allein. Hier habe ich noch zwei Fotos, die kannst du haben (nimmt sie von der Wand ab).
Der Gitarrenspieler (Foto) trägt doch eine Perücke?
Nein, schade daß man die Farbe nicht sehen wird. Die Locken sind metallic. Das sind alles echte Haare, die dem Kopf entsprießen.
Das Interview führte Wolfgang Müller.
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