: Blockade-Verfahren eingestellt
Voraussichtlich 175 Verfahren wegen Blockade des Chemie-Waffen-Depoth Fischbach stehen noch aus ■ Aus Pirmasens Dietrich Willier
Das erste von voraussichtlich 175 Nötigungsverfahren gegen TeilnehmerInnen an Blockaden gegen das Chemie-Waffenlager im pfälzischen Fischbach gegen eine 17jährige Angeklagte ist gestern vormittag vor einer Jugendkammer des Pirmasenser Amtsgerichts eingestellt worden. Nach einem bundesweiten Aufruf der Friedenskoordination Westpfalz hatten über 500 Personen, unter ihnen Hellmut Gollwitzer und Dorothee Sölle, Ende Juni eine Woche lang das größte Chemie-Waffenlager der Nato in Fischbach zum Teil mehrfach blockiert. Nach anfänglicher Zurückhaltung hatte die Polizei die Blockaden aber regelmäßig wieder aufgelöst und die Blockierer weggetragen. Einmal soll nach Auskunft von Demonstranten eigens ein Militärkonvoi zusammengestellt worden sein, um einen Vorwand für die Auflösung einer Blockade und eine anschließende vorübergehende Festnahme zu schaffen.
Die erst siebzehnjährige Frau soll sich mehrfach an Blockaden beteiligt haben. Ihr Rechtsanwalt Joachim Jordan nannte die Einstellung des Verfahrens nach Paragraph 47 Jugendgerichtsgesetz eine diplomatische Lösung, der Vorsitzende Richter habe aber schon jetzt seinen Willen zu künftigen Verurteilungen, einem Spruch des Bundesgerichtshofs entsprechend signalisiert. Der zweite Senat des Bundesgerichtshofs hatte im Mai entgegen einem Spruch des Bundesverfassungsgerichts entschieden, daß solche Sitzblockaden grundsätzlich den Straftatbestand einer verwerflichen Nötigung darstellten. Die Ziele einer solchen Demonstration, so Richter Berger in der gestrigen Verhandlung, könne er ja gut verstehen, nur wenn alle so handelten, lande man im Chaos.
Entgegen dem Willen der Angeklagten und ihres Verteidigers ist die Einstellungsverfügung des Richters in einem Jugendstrafverfahren nicht revidierbar.
Bei weiteren Verfahren beabsichtigt die pfälzische Friedensbewegung aber bis vors rheinland-pfälzische Oberlandesgericht zu gehen. Die Mainzer Oberlandesrichter hatten bisher als einzige Instanz dieser Art in einem Verfahren im Herbst vergangenen Jahres vom Vorwurf der Verwerflichkeit einer Blockade freigesprochen. Dieses Urteil ist bisher vom Bundesgerichtshof nicht aufgehoben worden.
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