: Abkehr
■ Niederlage für Israels etablierte Politik
Die Botschaft ist klar und deutlich: In Israel gibt es keine breite Mehrheit in der Bevölkerung, die angesichts des palästinensischen Aufstands in den besetzten Gebieten bereit wäre, neue Wege auf der Suche nach einer Lösung einzuschlagen, und sei es auch nur in der vagen Form, wie sie im Programm der Arbeiterpartei von Shimon Peres enthalten ist. Aber auch sein Konkurrent Yitzhak Shamir hat keinen Grund zum Jubeln, selbst wenn er jetzt Chancen hat, erneut Regierungschef zu werden. Der Slogan „Nur der Likud kann“ - lies: Frieden schließen wie damals in Camp David wirkte auf die Wähler und Wählerinnen kaum überzeugend.
Vor dem Hintergrund der Intifada mag die bemerkenswerte Zunahme der religiösen Stimmen absurd erscheinen. Doch nicht viel anders als im Falle der Hinwendung zum Fundamentalismus in arabischen Ländern geschieht der Rückgriff auf Vertrautes, sei es die ethnische Gruppe oder die Religion, in einer Situation der Krise und einem Gefühl der Unsicherheit bezüglich der Zukunft. Die Abkehr von den großen Parteien, die in den letzten vier Jahren gemeinsam das Establishment gebildet haben, ist zugleich eine Abkehr von den Problemen der großen Politik. Damit ist die Zunahme des Fundamentalismus in Israel nur eine extreme Form der Fortschreibung eines seit 21 Jahren währenden Verdrängungprozesses, der bislang das Aussprechen unangenehmer Wahrheiten und eine politischen Lösung des Palästinenserproblems verhindert hat.
Beate Seel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen