: Illusion und Manipulation
■ Zauberkongreß an geheimem Ort / Öffentliche Show in der Kongreßhalle
Achtung, Zauberer sind in der Stadt! Gar nicht lange ist es her, da löste solch‘ Ankündigung ganze Wellen der Entrüstung aus. Die Fenster wurden verbarrikadiert, den Kindern verboten, auf die Strassen zu gehen, „Erbarmen!“ gerufen und gehofft, daß alles so schnell wie möglich vorbeigehen möge. Fahrendes Volk. Unehrenhaft. Schwindel. Taugenichtse. Dunklen Magie- und Zauberkünstlern hängt seit je her ein unvorteilhaftes Image an. Irgendwas wird wohl dran sein, so die landläufige Meinung, wenn Frauen verschwinden, Tiere aus Hüten hervorkriechen, Körper gefesselt und mit Säbeln durchbohrt werden.
Heutzutage wird mit der Illusion gelebt. Die Magier sind als Scharlatane entlarvt. Gerne läßt man sich von ihnen etwas vorgaukeln. Zu zwei öffentlichen Zaubervorstellungen jedenfalls, die am Sonntag um 15 Uhr und 19.30 Uhr in der Kongreßhalle stattfinden werden, sind bereits fast alle Karten ausverkauft. Peter Schuster, der Vorsitzende des veranstaltenden „Magischen Zirkel e.V.“, gibt sich optimistisch: „Wir sind sicher, vor ausverkauftem Haus zu zaubern.“
Der 1920 gegründete „Zirkel“, der sich zur Aufgabe „die Pflege und Förderung der Zauberkunst“ gemacht hat, ist einer der ältesten Clubs dieser Art in Europa. 150 Mitglieder, davon 60 in Berlin, gehören dieser Vereinigung an. Es wird sogar eine eigene Probebühne unterhalten. Und: Eine Fachzeitschrift wird herausgegeben. Überhaupt: die Zauber -Literatur. „Weil im normalen Buchhandel qualifizierte Zauber-Bücher nicht vertrieben werden sollen - die Geheimhaltung der Tricks verbietet das -, hat sich hier ein eigener Markt entwickelt“, sagt Peter Schuster und fügt hinzu: „Wer gegen dieses Prinzip verstößt, der kann aus den Organisationen ausgeschlossen werden.“
Geheimnisse hier, Geheimnisse dort. Was wäre ein Illusions -Theater ohne diesen Hintergrund? Während bei den Vorführungen am Sonntag Publikum erwünscht und zugelassen ist, findet heute ein Wettbewerb unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Der „Prix Juventa Magica“, bei dem sich Jugendliche aus fünf Nationen in verschiedenen Diziplinen messen, wird nur von Fachleuten beobachtet und beurteilt werden. Auf dem Programm stehen Illusion (Zauber mit Musik und großen Hilfsmitteln), Manipulation (Fingerfertigkeit), Tisch- und Kartenzauberei und ein „Experiment mit der vierten Dimension“. Bei der Vergabe von Gold, Silber und Bronze bleibt man unter sich. Eine Händlermesse, mehrere Workshops, Ausstellung der Hilfsmittel und Zauberstäbe inbegriffen. Ort der Handlung? Darüber fällt kein Wort, da ist man verschwiegen wie ein Grab. Peter Schuster: „Das müssen wir so machen. Schließlich lassen sich bei diesem Wettbewerb alle in die Karten schauen. Außenstehende haben da nichts zu suchen.“
Interessant sind die Kontakte des „Magischen Zirkels“. So tritt eine Bulgarische Jugendgruppe auf, und Jochen Zmeck, Kunstpreisträger der DDR, ist Jury-Mitglied. Peter Schuster: „Sogar nach Südamerika und in die Türkei gehen unsere Verbindungungen. Karten verschwinden lassen, das verbindet.“ Simsalabim, Kreuz-As erscheint, der Vorhang fällt.
hosch
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