: Immer wieder sonntags...
■ ...kommt der Weser-Report: Was für ein Blatt ist dieses Blatt, wem gehört es und wie kommt es dazu, Frauen über Kontaktanzeigen zu vermarkten? Kommt erst das Kassieren und dann die Moral?
„Engel und Teufel, 18 J., langb., Tel...“,
„Francoise, Kindfrau, Mo-So, 24 Uhr, Tel...“
„Neu: Traumfrau m. Zeit, Video, Tel....“.
Jeden Sonntag flattert uns der Weser-Report gratis ins Haus; und jeden Sonntag wieder finden wir unter der neutral -harmlosen Überschrift „Kontakte“ 20 bis 30 Anzeigen, mit denen Frauen sich anbieten.
Was für ein Blatt ist der Weser-Report, den wir sonntags schon mal durchblättern, wem gehört er und wie kommt er dazu, Frauen über Kontaktanzeigen zu vermarkten?
Wir werden sehen:
Früher ein CDU-Kampfblatt aufgemotzt von Rainer Pfeiffer, dem Mann für das politisch Unanständige, heute nur noch ein CDU-Klatschblatt mit Hang zum Seichten und Selbstgefälligen. Herren im Hause beim Weser-Report sind als Gesellschafter Bernd Neumann, Landesvorsitzender der CDU, und Rainhard Metz, Fraktionsvorsitzender der CDU im Bremer Landesparlament. Beide Herren halten jeweils 26% der Geschäftsanteile; summa summarum sind mehr als 50% des Weser -Reports in CDU-Hand.
Dritter im Bunde ist ein Grossist in Sachen Kultur; die KPS Programme Schulenberg GmbH & Co. KG.
Nach dem Motto „Wie es Euch gefällt“ arrangiert er Extravagantes und Bieder-Braves offenbar so erfolgreich, daß der Weser-Report nicht nur sonntags, sondern
auch mittwochs erscheinen kann.
Die drei Gesellschafter sind für die Geschäftsführung des Weser-Reports und für dessen inhaltliche Gestaltung verantwortlich. Die Erträge des Blattes fließen ihnen zu, und das schließt Einnahmen aus besagten Kontaktanzeigen ein.
Vielleicht ist es ja indiskret zu fragen, ob die CDU -Volksvertreter mit Kiezknete ihre schmalen Einkünfte aus parlamentarischer Tätigkeit aufbessern oder sie gar in die Kasse ihrer Partei fließen lassen - es bleibt auch unbeantwortet zumindest eine Pikanterie.
Fragt frau nach, was so eine Kontaktanzeige im Weser-Report kostet, dann teilt die zuständige Dame der Anzeigenabteilung streng aber bereitwillig mit: 1 Zeile Kontakt-Frau kostet 114,-- incl. Mehrwertsteuer; 2 Zeilen Kontakt-Frau gibt es schon zum Freundespreis von 171,-- (aber nur sonntags). 4 Zeilen Eisschrank, in eine private Kleinanzeige verpackt, kosten demgegenüber nur DM 10,--.
Wer rechnen mag:
Bieten Prostituierte Sexualität über Anzeigen im Weser -Report an, dann müssen sie für 1 Zeile das 14-fache dessen löhnen, was 1 Zeile einer privaten Kleinanzeige kostet, natürlich incl. Mehrwertsteuer. 4 Zeilen Kontakt sind gar 35 mal so teuer wie ein ein Vierzeiler im Bereich privater Kleinanzeigen: DM 342,-- für 4 Zeilen Prostitution, DM 10,- für 4 Zeilen Eisschrank. Ein beliebiger Sonntag mit 30 bis 40 Zeilen „Kontakte“ bringt dem Weser
Report allein aus dieser Rubrik
zwischen DM 3.000,-- und DM 4.500,--. Ist das nicht schamlose Ausbeutung von Frauen?
Hohl und verlogen klingen vor diesem Hintergrund die Parolen im Parteiprogramm '87 der CDU und in den offiziellen Reden, mit denen die Herren Neumann und Metz WählerInnen von der heilen Welt der Familie predigen,
-„Die Familie ist die natürlichste und beständigste Form des menschlichen Zusammenlebens.“ - „In der Geborgenheit der Familie machen Kinder die ersten Erfahrungen in einer Gemeinschaft...„
sich für die Gleichberechtigung der Frauen erwärmen,
-„Wir lehnen eine Politik ab, die Frauen auf bestimmte Rollen festlegt. Die Frauen sollen frei entscheiden können, wie sie ihr Leben gestalten„
-„Die Ungleichheit der Frauen in
unserer Gesellschaft nach wie vor. Sie kann nicht durch Deklamation beseitigt werden, sondern nur durch konkrete Maßnahmen“
und wieder Bremen als angebliches „Mekka für Abtreibungen„ zu Felde ziehen (siehe taz, 28.3.88).
Bleibt zu fragen, ob die ehrenwerten Herren Gesellschafter mit dem christlichen outfit und dem Sinn für's Seriöse einmal mit der CDU-Frauenvereinigung, den Damen ihrer Fraktion oder ganz einfach nur mit Ehefrauen, Freundinnen, Schwestern und Töchtern - von den betroffenen Frauen einmal abgesehen - diesen Widerspruch zwischen hehren Worten und realem Handeln diskutiert haben.
Oder meinen auch sie frei nach Brecht: Erst kommt das Kassieren und dann die Moral!
Elke Steinhöfel
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