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Über 130 Regimegegner ermordet

■ Honduranische Menschenrechtsorganisation CODEH ermittelt Mörder von Oppositionellen in Armee und Geheimdienst / Kampagne der Regierung gegen CODEH-Präsidenten Ramon Custodio

Tegucigalpa (ips/taz) - In Honduras sind allein in der ersten Hälfte dieses Jahres über 130 Menschen aus politischen Gründen umgebracht worden. Dies geht aus dem neuesten Bericht des Menschenrechtskomitees des Landes, CODEH, hervor. 18 Morde lastet die unabhängige Organisation dem Geheimdienst DNI an, 16 weitere der Polizei, die in Honduras Teil der Armee ist, und zwölf weitere dem Heer. Bei den übrigen vermochte sie die Urheberschaft nicht zu ermitteln.

Die Opfer sind vor allem Landarbeiter und Studenten, die für ihre oppositionelle Haltung und ihr politisches Engagement bekannt waren. Zudem wirft die CODEH der honduranischen Polizei vor, weiterhin Gefangene zu foltern, um Geständnisse zu erpressen.

Am selben Tag, an dem der neue Bericht des Menschenrechtskomitees in der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa bekannt wurde, geriet dessen Präsident Ramon Custodio, der gleichzeitig der Mittelamerikanischen Menschenrechtskommission vorsitzt, selbst ins Schußfeld. Sein früherer Mitarbeiter Hector Vazquez warf ihm öffentlich vor, für die Ermordung von Angel Pavon und Moises Landaverde verantwortlich zu sein. Angel Pavon, der im Januar in Tegucigalpa auf offener Straße erschossen wurde, war mit Custodio eng befreundet und leitete das Menschenrechtskomitee von San Pedro Sula, der zweitgrößten Stadt des Landes. Landaverde war Funktionär der Lehrergewerkschaft. Die CODEH wies die Vorwürfe zurück: Im übrigen sei Vazquez bereits im Mai als „Instrument des militärischen Geheimdienstes“ aus der Menschenrechtskommission ausgeschlossen worden.

Ramon Custodio ist seit Jahren der öffentliche Feind Nummer Eins der honduranischen Regierung. Minister haben den Pathologen und Kinderarzt, der keiner Partei angehört, einen Kommunisten geschimpft. Unbekannte Kommandos haben ein Bombenattentat auf sein Büro, ganz in der Nähe des Hauptquartiers des gefürchteten Geheimdienstes DNI, verübt. Und an der Außenmauer seiner Praxis im Zentrum der Hauptstadt tauchen regelmäßig Plakate auf, die ihn des Vaterlandsverrats bezichtigen.

Im vergangenen Jahr startete die Regierung eine regelrechte öffentliche Kampagne gegen den Menschenrechtler, der seine beiden Söhne aus Sicherheitsgründen schließlich ins Ausland geschickt hatte. Der Grund: Ramon Custodio hatte wesentlich dazu beigetragen, daß Honduras förmlich auf die Anklagebank gesetzt wurde. Zum ersten Mal eröffnete der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte der Oraganisation Amerikanischer Staaten (OAS) vor einem Jahr einen Prozeß gegen einen Staat. Ende Juli dieses Jahres wurde Honduras vor diesem Gericht wegen Entführung und Ermordung des „verschwundenen“ Studentenführers Manfredo Velasquez für schuldig gesprochen. Dieser war einer von über 140 Oppositionellen, die zwischen 1981 und 1984 nachweislich von honduranischer Armee und Polizei verschleppt und umgebracht wurden. Die honduranische Regierung nahm das Urteil zwar an, entschuldigte sich aber mit dem Hinweis, daß das Land zum Zeitpunkt der Entführung von den Militärs regiert worden sei.

thos

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