: Der Bauer als Rapsölscheich
Die neuen Pflanzenölmotoren revolutionieren die Landwirtschaft / Der Bürgermeister fährt nur noch mit „Biosprit“ / Ökologisch saubere Verbrennung und sparsamer Verbrauch, aber grundsätzliche umweltpolitische Vorbehalte gegen nachwachsenden Rohstoffanbau bleiben bestehen / Landwirtschaftsminister sponsort ■ Von Wilhelm Purk
Waldschadensbericht 1988 vom Mittwoch vergangener Woche: 52,4 Prozent des deutschen Waldes sind erkrankt. Das ist keine Verbesserung gegenüber dem Vorjahr. Eine Änderung ist nicht in Sicht. Wie in den vergangenen Jahren fordert der zuständige Bundeslandwirtschaftsminister auch in diesem Jahr verstärkte internationale Anstrengungen für eine saubere Luft. Ansonsten bleibt alles beim alten.
Daß nicht alles beim alten bleiben müßte, daß etwas geschehen könnte im Rahmen der jetzigen technischen Möglichkeiten, soll ein Pilotprojekt beweisen, das Anfang der vergangenen Woche in Papenburg im Emsland gestartet wurde. Das in Bayern ansässige Konstruktionsbüro Elsbett, vertreten durch den 75jährigen Ludwig Elsbett und dessen Sohn, übergab seine neuentwickelten Pflanzenölmotoren einem Anwendungsversuch des Landschaftspflege- und Recyclinghofes in Papenburg. Dort sollen in den kommenden Monaten Elsbettmotoren unterschiedlichster Bauweise - in einem Schlepper, in einem Generator und in einem Pkw, dem Dienstwagen des Bürgermeisters, - getestet werden.
Gerade im Bereich der Landwirtschaft, die seit Jahren unter einer chronischen Überproduktionskrise bei Nahrungs- und Futtermitteln leidet, hat der Pflanzenölmotor solch hohe Erwartungen geweckt, daß selbst das niedersächsische Landwirtschaftsministerium in Hannover sein Interesse bekundet hat. Das Land, so versicherte der in Papenburg anwesende Minister Dr.Ritz, werde den Versuch mit 550.000 DM unterstützen und sei auch schon mit der Firma Elsbett in Verhandlungen über die Lizenzvergabe getreten.
Auf den ersten Blick stellt sich der Motor wie ein ökologisches Wunderkind dar. Wahlweise kann er vom Betrieb mit Dieselkraftstoff umgeschaltet werden auf die Verbrennung von Pflanzenöl. Dann benötigt er einfaches, kaltgepreßtes Pflanzenöl, das mit einer ebenfalls lieferbaren Pflanzenölpresse theoretisch von jedem Kunden selbst hergestellt werden kann.
Wider den Treibhauseffekt
Der Kohlendioxydausstoß des Motors ist nicht größer als die Menge, die die brennstoffproduzierenden Pflanzen beim natürlichen Wachstum aus der Luft aufnehmen. Damit fügt sich der Motor in einen ökologischen Kreislauf und würde nicht zur weiteren Erwärmung der Erdoberfläche mit den verheerenden Folgen des Treibhauseffektes beitragen. Die Protagonisten sprechen deshalb auch von der „Co2 Null -Bilanz“ der Elsbett-Technologie.
Zudem gibt es keine Belastung durch Schwefeldioxyd, weil das für Mitteleuropa in Frage kommende Rapsöl keinen Schwefel enthält. Der Pflanzenölmotor hat geringere Abgas-, Geräusch- und Wärmeemissionen als herkömmliche Modelle. Der Verbrauch beim Pkw liegt trotz seiner Leistung von 81 PS bei 4-5,5 Liter pro 100 km.
Neben Rapspflanzen dürften in Europa Sonnenblumen mit etwa 1.200 Liter pro Hektar und Ernte zu den ergiebigsten Brennstoffproduzenten gehören. In anderen Regionen gibt es weitaus leistungsfähigere Nuß- und Palmenarten, die bis zu 9.000 Liter bringen.
Das Öl gewinnt man im Gegensatz zum herkömmlichen chemischen Verfahren in einem rein mechanischen Vorgang. Unter hohem Druck wird es aus dem Rapskorn oder den Sonnenblumenkernen kalt herausgepreßt. Sogar der Motor der Ölpresse speist sich mit dem in diesem Vorgang produzierten Pflanzenöl. Übrig bleibt das Öl, sowie der nährstoffreiche sogenannte Rapskuchen, der als Dünger auf den Acker gebracht werden kann oder sich als energiereiches Tierfutter anbietet. Ein Verfahren, das vorerst noch wertloses Rapsstroh mit Altpapier zu einem Styroporersatzstoff aufzubereiten, ist in der Erprobung.
Diese, aus ökologischer Sicht insgesamt erfreulichen Daten stellen jedoch erst den Teil eines Gesamtkonzeptes dar, das weit über die neue Antriebstechnologie hinausgeht. Ludwig Elsbett wies in Papenburg darauf hin, daß die hohen Energiekosten in der „Dritten Welt“ durch Einfuhr von teurem Mineralöl entstehen, das in US-Dollar abgerechnet werde. Der Irrsinn bestehe darin, daß diese Länder gezwungen seien, ihre knappen Ressourcen in Devisen umzusetzen, um Öl einzukaufen. Gerade tropischen Ländern, in denen sieben Mal soviel Pflanzenöl wie in Europa pro Hektar produziert werde, und deren Infrastruktur gering entwickelt sei, biete sich eine Technologie an, die dezentral arbeite und in kleinsten Einheiten Anwendung finde. Das könne der erste Schritt vieler „Entwicklungsländer“ zur energiepolitischen Unabhängigkeit sein.
Das Pilotprojekt in Papenburg an der Ems ist ein technisches Novum. Alle Einrichtungen mußten zunächst geschaffen werden. Es gab in dieser Region bisher keinen Versuch dieser Art. Daß die Firma Elsbett den weiten Sprung nach Norddeutschland dennoch wagte, hat wohl seine Ursache darin, daß der Motor hier nicht von vorneherein auf Ignoranz stieß.
Ohne Einspritzung
Nichts als Ablehnung erntete Ludwig Elsbett in den vergangenen Jahren mit seiner Erfindung in weiten Kreisen der Industrie. Die Mineralölindustrie kann den Motor nur ablehnen, da er den Kunden von ihren Produkten unabhängig macht. Die Automobilindustrie verhält sich zurückhaltend. Sie sieht keine Veranlassung, von der „schmutzigen“ Ottomotortechnik unter Verbrennung fossiler Rohstoffe Abschied zu nehmen. Solange die EG keine engeren Grenzwerte festlegt, wird bei der Autoindustrie niemand im Traum daran denken, teure Produktionsumstellungen in die Wege zu leiten. Die Automobilzuliefererindustrie wie z. B. die Firma Bosch, unter anderem Produzent von Einspritzpumpen, kann sich über den Motor nicht freuen, da er völlig ohne Einspritzpumpe auskommt.
Es ist kaum verwunderlich, daß einzelne Interessenten aus der Industrie an den Konstrukteur herantraten und mit beträchtlichen Summen die Produktionslizenz zu kaufen versuchten. Ludwig Elsbett ließ es sich denn auch nicht nehmen, darauf hinzuweisen, daß seine Firma in den letzten Jahren eine „schnelle Mark“ hätte machen können, mit der Folge, daß die Produktionslizenz in irgendeinem Panzerschrank verstaube und in den nächsten 20 Jahren nichts geschehe. Das käme für ihn nicht in Frage. Er wolle den Einsatz des Motors. Deshalb sei er in das Emsland gekommen.
Die Großproduktion des Motors in Personenwagen kann somit zunächst als gescheitert angesehen werden. Auch Klein- oder Mittelbetriebe können hier keine Alternative bieten. Sie sind mit den Problemen des Marketings, des Ersatzteilvertriebes oder der Schaffung eines überregionalen Versorgungsnetzes für Pflanzenöl in ihrer Wirtschaftskraft weit überlastet.
Mineralöl für Bauern zu billig
Die Firma Elsbett war lange Zeit auf der Suche nach einer praktikablen Alternative. Nunmehr glaubt sie, diese gefunden zu haben. Als potentieller Kunde kommt allein der Landwirt mit seinen schweren Dieselmotoren in den Schleppern und auf dem Hof in Frage, denn nur der Landwirt bleibt mit seinen Maschinen am Ort, und er hat, wenn man so will, seine „Ölquelle“ neben dem Haus. Um einen Hektar Land zu beackern
-ob nun Raps, Roggen oder Kartoffeln - werden im Durchschnitt 110 Liter Diesel benötigt. Bei einer Hektarernte von 1.200 Litern Rapsöl könnte der Bauer mit der Ölmenge von einem Hektar zehn Hektar Land bearbeiten. Eine verlockende Vorstellung für den Bauern, zumal ihn die neue Technik von einer ganzen Reihe von Abhängigkeiten befreit, z. B. von den Preisschwankungen des Mineralöls oder vom bürokratischen Aufwand, der mit der Rückvergütung der Mineralölsteuer entsteht. An diesem Punkt stellt sich jedoch für den Elsbettmotor das größte und bisher unüberwindliche Hindernis.
Der Bauer nämlich fährt den mit Abstand billigsten Kraftstoff. Er bezahlt für einen Liter Diesel nicht etwa 95 Pfennig wie jeder andere, sondern, wenn er seinen Verbrauch dem Landkreis nachweist, erstattet dieser ihm einen Betrag in Höhe von etw 41 Pfennig je Liter. Ein Dieselpreis von real 50 Pfennig ist jedoch kaum zu unterbieten.
Landwirtschaftsminister Ritz will sich von diesen Zahlen nicht schrecken lassen. Wenn der Elsbettmotor bei diesem Dieselpreis nicht konkurrenzfähig sei, müsse eben die EG an dieser Stelle einspringen. Bisher wurden bundesweit ein paar hundert Millionen DM für die Flächenstillegung bereitgestellt. Diese Stillegungsprämie müsse umgewidmet werden und nun in den Anbau „nachwachsender Rohstoffe“ fließen. Die Elsbettechnologie erhöhe die Unabhängigkeit der Landwirtschaft sowohl vom Öl als auch von teuren Eiweißfuttermittelimporten. Unter dem Gesichtspunkt der Verringerung der Agrarüberschüsse, aber auch aus ökologischer Sicht führe kein Weg am Elsbettmotor vorbeiWas diese Einschätzung des Landwirtschaftsministers angeht, sind die Grünen im niedersächsischen Landtag ganz anderer Meinung. Da der Anbau der brennstoffproduzierenden Pflanzen nicht denselben Grenzwerten wie bei Futter- und Nahrungsmitteln unterworfen sei, müsse mit dem Schlimmsten gerechnet werden. Eine zusätzliche Belastung des Bodens, der eh schon gebeutelten ländlichen Region komme für die Grünen nicht in Frage.
Gegen den Elsbettmotor sei im Prinzip nichts einzuwenden. Allerdings würden durch die neue Technik agrarpolitische Hoffnungen geweckt, die sich nicht realisieren könnten. Der Motor sei in Europa auch unter den günstigsten politischen, agrarchemischen und auch gentechnischen Verhältnissen nicht konkurrenzfähig.
Um die Agrarüberschüsse abzubauen bietet sich den Grünen eine einzige sinnvolle Alternative zur bestehenden Praxis: Die konsequente Umstellung auf ökologischen Landbau. Eine solche Anbaumethode bringt nämlich etwa 20 Prozent weniger Ertrag als die herkömmliche, ein Anteil, der die Überschußproduktion der EG bei weitem übersteigt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen