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Pappkamerad Ceausescu

■ Auf dem Breitscheidplatz inszenierte Freya Klier ein Spektakel gegen den rumänischen Diktator Ceausescu / Keine Unterstützung durch Parteien

Ceausescu vor der Gedächtniskirche: „Ich bin zu groß für ein so kleines Volk“, dröhnte am Dienstag nachmittag aus Lautsprechern vor der Gedächtniskirche. Der Conducator, der Führer des rumänischen Volkes, der gütig sich gebende strafende Vater, der rumänische Partei- und Staatschef Nicolae Ceausescu hielt am Dienstag Hof: In Gestalt eines überdimensionierten Pappmacheekopfes auf dem Körper des eher schmächtigen rumäniendeutschen Schriftstellers Helmuth Frauendorfer läßt er Dörfer zerstören und erniedrigt die Frauen zu Gebärmaschinen. Und unter den Klängen von Opern -arien wirft er gütig seinen Schergen einen Happen zu, während das Volk darben muß.

Mit Lastwagen, Bagger und dem Transparent „Rumänien blüht“ hatte die ehemalige Ost-Berliner Regisseurin Freya Klier ein „Bühnenbild“ aufgebaut, das ein bißchen Atmosphäre aus der Diktatur an die Spree transportierte. Immerhin lockte das Spektakel einige Hundert Leute an. Viele der Zuschauer jedoch waren extra angereist, um gegen den Diktator zu protestieren. Die meisten gehörten zu einer Szene, die sich aus ehemaligen Bürgern der DDR, Exilrumänen und ein paar westlichen Altlinken zusammensetzt.

Solidarität mit den Rumänen, die Kritik an dem Conducator scheint immer noch nicht ins Weltbild vieler Westler zu passen. Das ist nicht verwunderlich bei Leuten aus dem Dunstkreis der SEW und dem der Autonomen, die im Westen zwar gegen Ausbeutung und den Staat kämpfen, die östlichen Diktatoren jedoch zu lieben scheinen.

Daß aber keine politische Partei in dieser Stadt die Aktion unterstützen wollte, gibt schon mehr zu denken. Nicht einmal die AL hat es für nötig befunden, den Organisatoren unter die Arme zu greifen. Und das ist wohl kein Markenzeichen vor der Wahl. (Siehe Berichte auf Seite 1 und 7)

Erich Rathfelder

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