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TRAUMWANDELND DURCH DIE DINGFLUT

■ Nanne Meyer, Suse Wigand, Barbara Zirpins schwingen ihre Stifte

Es gibt Tage, da haben sich die Dinge verschworen, um sich an ihren Benutzern, Besitzern und Fetischisten zu rächen von Anfang an. Wenn man sich an der Bettkante den Zeh und an der Kommode das Knie stößt, wenn der Fußboden eisig und die Pantoffeln verschwunden sind, wenn der Wasserhahn in der Hand verbleibt und der Abfluß verstopft ist, wenn der Pullover ein Loch hat und die Hose kneift, wenn die Frühstückseier zum Loch-in-den-Kopf-Hauen hart sind, die letzte Scherbe des einstigen Teekannendeckels in die Tasse plumpst, Tee überschwappt, das Schwammtuch unter dem schmutzigen Geschirr liegt und während man dran zerrt, der Toast anbrennt, qualmt, beim Aufreißen des Fensters die Flasche umfällt und man beim Bücken mit dem Kopf an die Tischkante knallt... und es ist erst neun, und der Tag mit seinen Gefahren beginnt gerade erst..., dann könnt man sich mit dem angekokelten Brot gleich selbst auf den Müll schmeißen.

Doch gegen die Verschwörung der Dinge sind Suse Wigand und Nanne Meyer angetreten. Um den Überblick über die mit Zentripedalkraft auseinanderstrebende Dingwelt zu behalten, entwirft Nanne Meyer Wegweiser: Auf den Linien eines Schnittmusterbogens um die Möbel kurvend bewahrt man sich vor Zusammenstößen. Meyer kommt in ihren Zeichenserien den heimtückischen Verwandlungen der Objekte zuvor und ahnend, was in den Dingen steckt, hat sie das Mimikry-Spiel der Linien überlistet: eine Doppelaxt, eine Herrenfliege, ein Schmetterling - welch blutige Mißgriffe könnten da entstehen. Suse Wigand hilft lexikalisch weiter und ordnet in „Die Dingfolge in 64 Teilen. Vom Platz zum Deckel“ Bild und Schriftzeichen einander zu. Das zufällig in den Blick geratene Ding wird gestellt, auf sein Wesen hin examiniert, genau untersucht und nach dem Prinzip der Analogien ordentlich auf Reihe gebracht. Mit traumwandlerischer Sicherheit übt man nun die Kontrolle über die Dinge aus, kann sich beruhigt den Kaffeewärmer über die Ohren ziehen, das Taschentuch ausspannen und aus dem Fenster steigen.

Hat man Glück bei diesem Ausstieg, landet man in der dingbefreiten Welt Barbara Zirpins. Farben stauben im Flug vorbei, sanft mischt sich der Puder hier zum tierisch Gefleckten, da zum blumig Gesprenkelten, wird dort windig in Streifen gefegt und dann wieder schuppig glitzernd auseinandergewirbelt. Nichts ist da und doch lebendige Materie in ständiger Bewegung, die sich mutwillig zu einem Schemen ballt, launisch zu einer Linie krümmt, flüchitg fabulierend einen Bären, kleine Könige auf Hasen reitend, Kinderköpfe erscheinen läßt, Geschichten erzählt und ihre intimen Vexierspiele treibt.

Katrin Bettina Müller

Nanne Meyer, Zeichnungen, Petersengalerie, bis Januar '89, Di bis Fr 14-19Uhr, Sa 11-14Uhr. Suse Wigand „Die Dingfolge“, Wiens Laden, bis Ende Dezember '88, Di bis Fr 13 -18Uhr, Sa 11-14Uhr. Barbara Zirpins, Ölkreiden '86-'88, Galerie Adlung und Kaiser, bis 10.12., Di, Do und Fr 14 -19Uhr, Mi 16-20Uhr, Sa 13-16Uhr.

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