piwik no script img

DIE WÜRFEL SIND GEFALLEN

■ Robert Fillious „Eins, Une, One“ in der Ruine der Künste

Der im Jahr 1987 gestorbene Künstler hatte eine Gabe, die heute selten geworden ist: Er bietet auch etwas für die Sinnlichkeit. So kann auch in den grauen Tagen des Novembers das Herz einen Sprung tun, wenn der Blick auf das Werk fällt. Tausende von Würfeln in roter, schwarzer, gelber, blauer Farbe oder naturbelassen mit verschiedenfarbigen Punkten. Jede Farbe in anderer Größe, dazwischen Würfel wenige - ganz ohne Punkte. Dies alles über zwei Räume in einer die Trennwand aufhebenden Kreisform in ungleichmäßiger Verteilung auf einem durch die diagonal verlaufenden Dielenbretter regelmäßigen Holzfußboden. In dem hellen Haus rührt der Anblick spontan an die harmlose Fröhlichkeit einer Kinderzeit; die Farben, das Licht, diese Unzahl von Würfe(l)n.

Filliou ist oft die optische Naivität seiner Werke bescheinigt worden; es ist wahr: Sie macht auf Anhieb froh. Seltsam genug, auch Opa, der sonst moderner Kunst eher gleichgültig gegenübersteht, war angetan. Es bleibt auch nicht bei der Einfachheit stehen; die Assoziationen, die sich beim Verweilen und Wandern des Blickes auf der Würfellandschaft einstellen, reichen vom Makrokosmos Sternenhimmel mit Milchstraße - bis zum Mikrokosmos, wie wir ihn aus den Photographien der Nervenstränge und anderen Strukturen im Innern der Zelle kennen.

Es scheint, mit soviel Würfeln könne man nur noch Glück haben; man darf sogar ein wenig spielen. Aber da stellt sich heraus, daß alle Würfel nur „Einsen“ haben. Die Zahlen Zwei bis Sechs fehlen. Was steckt dahinter? Die Dialektik von Freiheit und Notwendigkeit? Die Kraft des Schicksals, das sich als Geschick im Leben des Einzelnen doch stets wieder durchsetzt? Der Verzicht auf irdisches Glück?

Robert Filliou hat die Antwort während eines langen Aufenthaltes in einem buddhistischen Kloster zu finden gesucht. Vielleicht läßt sie sich aus seinem Wurf enträtseln.

S.K.W.

Ausstellung: Hittorfstraße 5, 1-33, 14-17 Uhr.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen