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Gefangene brechen Hungerstreik ab

Die meisten der rund 2.000 hungerstreikenden Gefangenen in der Türkei haben ihre Aktion abgebrochen / In einigen Gefängnissen wird auf die Forderungen der Gefangenen eingegangen / Säuberungen in der Sozialdemokratischen Volkspartei nach Solidarisierungen  ■  Aus Istanbul Ömer Erzeren

Ein Großteil der rund 2.000 politischen Gefangenen, die durch einen Hungerstreik auf die menschenverachtenden Haftbedingungen in den türkischen Gefängnissen aufmerksam machten, hat jetzt seine Aktionen beendet. Nach Angaben des Justizministers Mehmet Topac befinden sich noch 166 Gefangene im Hungerstreik. „Niemand ist gestorben. Wir hoffen, daß jetzt alle Hungerstreiks beendet werden“, erklärte Topac in der türkischen Zeitung 'Milliyet‘. In einer Reihe von Gefängnissen gingen die zuständigen Staatsanwälte auf einen Teil der Forderungen der Gefangenen ein.

Am 44.Tag ging der Hungerstreik im Gefängnis Diyarbakir zu Ende. Das Bücherverbot ist aufgehoben, die Kantine des Gefängnisses wird mehr Waren führen, und 15tägig wird Familienangehörigen der Besuch gestattet werden, erklärte der Staatsanwalt Korkuthan in Diyarbakir. Nach seinen Informationen sind 27 Gefangene im staatlichen Krankenhaus Diyarbakir und zehn Gefangene auf der Krankenstation des Gefängnisses in Behandlung. Auch in Erzincan, Nazilli, Buca und Ankara wurden die Hungersreiks nach Einigung abgebrochen. Dutzende von Gefangenen sind in ärztlicher Behandlung. Ungeklärt ist der Tod von Bayram Yildirim im Gefängnis Kayseri. Während Familienangehörige berichteten, er sei an den Folgen des Hungerstreiks gestorben, erklärt der Staatsanwalt, der Gefangene sei eines natürlichen Todes gestorben.

Unterdessen hat sich der wegen dem Hungerstreik ausgebrochene Konflikt in der Sozialdemokratischen Volkspartei zugespitzt. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion beschloß die Parteiführung die Amtsenthebung von sieben Stadtverbandsvorsitzenden. Auch alle anderen lokalen Funktionäre in den Stadtverbänden wurden amtsenthoben. Betroffen sind linke Stadtverbände, wie Istanbul und Bursa, sowie Stadtverbände in Kurdistan, wie Diyarbakir und Siirt. Sie hatten die Forderungen der politischen Gefangenen unterstützt und die regionalen Parteibüros für den Hungerstreik der Familienangehörigen geöffnet. „Es sind doch nur demokratische, zutiefst menschliche Forderungen, die die Gefangenen haben“, erklärte der Stadtverbandsvorsitzende von Diyarbakir, Aydin, gegenüber der taz. Nach solchen Stellungnahmen in den Medien hatte der stellvertretende Generalsekretär Ali Topuz erklärt, daß „die Partei von Linksradikalen vereinnahmt“ sei. Die Amtsenthebungen sind offensichtlich der Beginn einer Säuberungsaktion, der weitere Stadtverbände zum Opfer fallen werden.

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