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IG Bergbau lockt Biblis-Beschäftigte

Biblis-Beschäftigte suchen atomfreundliche Gewerkschaft und wollen aus der ÖTV aus- und in die IGBE eintreten / Streit zwischen den Einzelgewerkschaften / IG Bergbau will eigenen Schrumpfungsprozeß aufhalten  ■  Von Petra Bornhöft

Berlin (taz) - Die Gewerkschaft ÖTV tobt, die IG Bergbau und Energie (IGBE) lockt: 140 ÖTV-Mitglieder aus dem AKW Biblis wollen raus aus der Gewerkschaft ÖTV und rein in die IGBE. Nicht ganz zu Unrecht sehen sie in der IGBE die atomkraftfreundlichere Gewerkschaft. Dem ÖTV-Vorstand erklärten sie: „Wir fühlen uns durch die ÖTV nicht mehr vertreten“. Damit ist der schon lange hinter den Kulissen schwelende Konflikt im DGB um die Energiepolitik und die Verschiebung von Mitgliedern offen aufgebrochen.

Mit der DGB-Beschlußlage zu einer Energiepolitik, die es „ermöglicht, so rasch wie möglich auf die Kernenergie zu verzichten“, mochte sich die IGBE nie so recht anfreunden. Auf dem Gewerkschaftskongreß Ende November wurde IGBE-Chef Heinz Werner Meyer deutlicher: „Eine Korrektur und Revision muß möglich sein.“ Von der Idee eines „neuen nationalen Konsenses in der Energie- und Kohlepolitik“ beseelt, bot der Kongreß der Atomwirtschaft den Beschluß an, „den Beitrag der Kernenergie zur Energieversorgung so rasch wie möglich in dem Maße zu verringern, wie dies ohne Gefährdung der Sicherheit und Zuverlässigkeit der Energieversorgung möglich ist“.

Da bleibt kein Türchen offen für den Ausstieg. Das Angebot an die 7.000 Atomarbeiter ergänzte Meyer durch Bemerkungen zu den gegenwärtigen Organisationsbereichen des DGB. Die IGBE wolle, so Meyer, „neue Grenzziehungen“. Nach den bestehenden gehört der „leitungsgebundene Energiebereich“ (Strom und Wasser) zur ÖTV. Deren Mitglieder umwirbt die IGBE, weil sie mit dem Bergbau schrumpft. Mit knapp 350.000 Mitgliedern, darunter fast 40 Prozent Rentner, erreichte die Statistik 1987 einen neuen Tiefstand.

Statt das Naheliegende zu tun und die IGBE in die ÖTV zu integrieren (der Vorsitzende ist ohnehin als neuer DGB-Chef im Gespräch), sann die IGBE auf Abwerbung. „Wir sind keine Wegelagerer“, erklärte Meyer auf dem Kongreß - aber in der ÖTV wird es genau so begriffen. Wie dramatisch die IGBE ihre Situation einschätzt, wird daran deutlich, daß in der Atomindustrie gerade 7.000 Menschen arbeiten, von denen 3.000 organisiert sind. Trotz dieser kleinen Zahl - die ÖTV hat 1,2 Mio. Mitglieder - ist die ÖTV über die „unverhohlene Begehrlichkeit der IGBE“ erbost. Mitglieder seien „keine Dispositionsmasse“. Unmißverständlich sagte ein IGBE -Sprecher zur taz: „Wir wollen keinen Krieg anfangen mit der ÖTV. Aber schrumpfende Bereiche im DGB müssen lebensfähig gehalten werden. Darüber muß geredet werden. Und in der IGBE ist die Energiepolitik das Herzstück. Das gilt für die ÖTV nicht.“ Nach Angaben aus der ÖTV wird Monika Wulf-Mathies ihrem Kollegen Meyer eine Aussprache vorschlagen. Die 140 Biblis-Arbeiter indes werden sich gedulden müssen. Satzung und andere Regelungen verwehren ihnen (noch) den Vereinswechsel.

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