: Stroh ist da, der Funken nicht
■ Studentenratswahlen zum Vergessen: Stöhnen über miese Studienbedingungen sucht nach politischem Ausdruck / Finanzdebakel bestimmt die Nicht-Debatte
In Berlin ist das 40-Jahresfestival der konservativen Wende -Zufriedenheit der FU Woche Anlaß zur Besetzung von 16 Instituten und in Frankfurt sind urplötzlich und an einem rechten ASTA vorbei sämtliche Fachbereiche der Universität in aktiven Streik gegen den überfüllten Wohnungsmarkt und gegen ebensolche Hörsäle getreten. Und die ehemals so gefürchtete Kaderschmiede Bremen? Wird der Funken überspringen?
Von 25 StudentInnen, die ich in der Unimensa fragte, hatten ganze zwei etwas von Berlin und Frankfurt gehört. Ansonsten: kein Flugblatt dazu, keine Stellwand oder etwelche Information des kommissarisch amtierenden ASTAs von SHB, MSB und Jusos.
Dabei, die Bremer Bedingungen ähneln dem Frankfurter Scenario verblüffend. Grade erst ist das große Zelt abgebrochen worden, das die Wohnungsnot der Studienanfänger drastisch sichtbar machte. Und jede und jeder wird bei der Frage nachden Studienbedingungen munter: Der drittsemestrige Physikstudent ärgert sich, daß er 20 bis 25 Stunden in der Woche mit 'Hausaufgaben‘ zubringt, bei denen er rechnen aber nicht „die Welt verstehen“ lernt, überalternativlos schlechte Vorlesungen und darüber, daß Jens Scheer immer noch keineGrundstudiumsveranstaltungen
machen darf; die Erstsemester PsychologInnen ärgern sich, daß sie ihre Vorlesungen in winzigen Räumen genießen, die eben gerade nicht für Vorlesungen gebaut worden sind und daß die Prüfungsordnung, deretwillen sie nach Bremen gekommen sind, dem Bundesdurchschnitt angepaßt wurde. Gleicher Ärger bei denBiologinnen und: sie kommen nicht zum Mikroskopieren wenn 40, manchmal 60 Praktikumsteil
nehmerInnen sich darum balgen.
Streik aber oder gar Besetzung fänden einzelne zwar gut, aber in Bremen kann sich das niemand vorstellen, und schon garnicht an der ganzen Uni. „Man schadet sich da nur selber mit,“ sagt eine Biologin, ein ausgefallener Tag Praktikumsei überhaupt nicht wieder zu ersetzen.
Ach ja, und dann sind da noch ASTA-Wahlen, genauer Wahlen zum Rat der 12.000 Bremer Stu
dentInnen, der dann den ASTA stellt. Bis jetzt, sagt die Frau an der Wahlurne in der Mensa, ist die Wahlbeteiligung bei 8 %. Es wird schwierig werden, auch nur die 17 %der letzten Wahl wieder zu erreichen. Zu den 90 % NichtwählerInnen gehört auch die Runde Biologinnen: Auf den Wahlflugblättern stünde doch überall das Gleiche.
Der ASTA der Unorganisierten (Autonome, Alternative und
Feministische Liste) hat das unbelegte Verschwinden von über 100.000 Mark auf dem Kerbholz, das ist ist einzige Information, die fast alle Befragten haben. Das und daß es hinterher niemand gewesen sein will - die Feministische Liste macht „die Männer“ verantwortlich, die Männer den Vorgänger-ASTA - kostet die Nachfolgeliste AAL ihre Glaubwürdigkeit und die Listen LUST und KUSS, die einige AAl -Überläufer enthalten, gleich mit. Aber auch über den amtierende Aufräume-ASTA höre ich wenig Begeisterung, und die Rechten, Geier, SHL und - erstmalig - RCDS werden am Mensaeingang noch nichtmal ein Flugblatt los. Nur ISLI, die „Internationale Studenten Liste“ mit 27 ausländischen KandidatInnen, wundert sich über die breite Zustimmung, die ihre Erstkandidatur erregt. ISLI ist für bewußtes, multikulturelles Zusammenleben an der Uni und gegen die „internen Machtkämpfe, fruchtlosen ideologischen Debatten und gegenseitigen Diffamierungen des politischen Gegners“, die die übrigen politischen Gruppierungen lahmgelegt und die StudentInnen nicht sensibiliert sondern entpolitisiert hätten. Ihr überzeugendstes Argument: eine Reggae-Gruppe, die in der Cafeteria, wenn nicht die Verhältnisse dann doch die StudentInnen zum Tanzen bringt.
Uta Stolle
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