: Miserable Situation-betr.: "Verschärfte Isolationshaft - bis zum Gesinnungswandel", taz vom 12.11.88
betr.: „Verschärfte Isolationshaft - bis zum Gesinnungswandel“, taz vom 12.11.88
Noch immer gibt es Leute, die die Forderung nach Zusammenlegung - teils aus politischem Interesse, teils aus erklärbarer Uninformiertheit - für eine Marotte von isolierten Gefangenen aus RAF und Widerstand halten. Dabei liegt es doch auf der Hand: Die Gefangenen tun nichts anderes, was jeder vernünftige Linke oder Antifaschist tun würde: sich zusammentun, die eigenen Kräfte sammeln und organisieren. Stärker werden. Eine gute Lösung im Rahmen einer miserablen Situation.
Um das ganze vom ideologischen Kopf der Staatsschutzphilosophie auf die Füße zu stellen, will ich an folgendes erinnern: Kontaktsperre, die Toten von Stammheim und die systematische Auseinanderlegung sämtlicher Gefangener aus der RAF gehören zusammen. Herbst '77. Das eine ist die logische Konsequenz des anderen. Nach der Kontaktsperre die Toten vom siebten Stock, nach den Toten war der nächste Schritt, der in dieser Logik unternommen werden mußte, um die Gefangenengruppe insgesamt und ein für alle mal zu zerschlagen: die systematische Auseinanderlegung der Gefangenen.
Ohne diesen Hintergrund ist auch nicht zu verstehen, weshalb der Staat die Zl erbittert bekämpft. Wenige Wochen nach den Toten von Stammheim beschloß die Länderjustizministerkonferenz - auf „Empfehlung“ von Rebmann und Herold - einen sogenannten Verteilerschlüssel für Gefangene aus der RAF. Eine Sonderregelung wie das Kontaktsperregesetz auch. Danach wurden zum Beispiel wir vier vom Kommando Holger Meins buchstäblich in alle vier Himmelsrichtungen auseinandergelegt: nach Osten, in den Celler Trakt; nach Westen, in die JVA Schwalmstadt; nach Norden, an die Ostseeküste/Lübeck und nach Süden, nach Straubing ins Voralpenland. Und so ist das bis auf den heutigen Tag.
Entgegen den Suggestionen etwa des Boock-Verteidigers und 'Spiegel'-Redakteurs Sternsdorf im 'Spiegel‘ ist diese Auseinanderlegung nicht Normalvollzug. Wollte die Justiz die sozialen Gefangenen wie die Politischen auseinanderlegen, würde das Vollzugs- und Transportsystem binnen Wochen zusammenbrechen. Der Verteilerschlüssel geht auf eine politische Entscheidung zurück, Normalvollzug ist das nicht.
Umgekehrt wird ein Schuh draus: Wären die politischen Gefangenen den sozialen Gefangenen gleichgestellt, gäbe es schon seit vielen Jahren zwei große Gruppen von politischen Gefangenen, eine in Nordrhein-Westfalen und eine in Baden -Württemberg. Denn fast ausnahmslos alle Gefangene aus RAF und Widerstand sind von zwei Gerichten in diesen Bundesländern verurteilt: den OLGs Düsseldorf und Stuttgart -Stammheim.
Wenn schon welche nach Normalisierung oder Normalvollzug rufen, sollten sie zumindest den Mut haben, nicht nur ein bißchen Normalisierung zu fordern - soviel wie die Polizei erlaubt (und deshalb auch einige Grüne), sondern eine umfassende.
Die Durchsetzung der Zusammenlegung wäre entscheidend, um gegen den rechtsfreien Raum der Sonderbehandlung das „Recht“ auf Widerstand von unten zu begründen.
Lutz Taufer, Hochsicherheitstrakt Celle
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen