piwik no script img

BIG IN JAPAN

■ Die Berliner „Planets“ in Tokio und Umgebung

„In Japan ist die Größe relativ, weil Japan ist groß.“ Die Planets, in Berlin ein kleines Licht der Independent -Musikszene, haben in Japan erlebt, wovon einige nicht einmal im gelobten Land der Musikkarrieren, den USA, zu träumen wagen. Sie sind über Nacht berühmt geworden, der Reichtum läßt noch ein wenig auf sich warten, aber der Yen wird spätestens nach dem Verkauf der ersten 10.000 Exemplare ihrer in Japan erschienenen Platte auf sie niederprasseln.

Auf einer Promotion-Pressekonferenz bei Salzstangen und Sekt im Swing, berichten vier Herren und eine Dame in Klamotten, die den derzeitigen Hitfilmen Raumpatrouille Orion oder Barbarella entlehnt zu sein scheinen, von einer Begegnung der dritten, wenn nicht sogar noch größeren Art.

Vor circa drei Jahren, es war bei einem Konzert im Quartier Latin, kam ein Mann hinter die Bühne, der sich als Mitarbeiter einer japanischen Firma vorstellte. Die Band hatte ihm gefallen und er schlug eine Japantournee vor. Es ergab sich ein Kontakt zum Ableger des britischen Medien und Rüstungsmultis Thorn-EMI, in Japan firmierend unter EMI -Toshiba. Die Manager kamen nach Berlin geflogen, sahen sich die Band an, produzierten ein Video und ließen sich ein ausgefuchstes Marketingkonzept einfallen. Die Planets gingen als Vorgruppe des japanischen Gitarristen Hotei auf Tour, traten im Fernsehen auf und bekamen Artikel in Musikmagazinen. Und sie unterschrieben einen lukrativen Vertrag mit EMI-Toshiba. In Deutschland werden sie immer noch vom Berliner Independant-Label Vielklang vertreten.

Warum die Japaner dermaßen auf Mik Moon, Serge Sergeant, Pronz F., Koma Kid und Wera Wonder abfuhren, können sie sich selber nicht recht erklären. In ihren Spaceanzügen mit Nietenbesatz und dunkler Sonnenbrille erzählen sie von Fahrten in schwarzen Limousinen, von schlitzäugigen Kofferträgern und Teeniefans, die solange kreischen und aufgeregt mit den Füßen tippeln, bis du ihnen alles unterschreibst, vom T-Shirt bis zur Schultasche. „Der japanische Fan ist perfekter als ein Journalist, er schreibt alles mit, wann du aus dem Hotellift gekommen bist und wann er dich fotografiert hat. Der Japaner fotografiert alles. Am meisten freut er sich, wenn er andere beim Fotografieren fotografieren kann, wir haben uns dann auch gegenseitig auf der Bühne mit einer Pocketkamera fotografiert.“

Die Planets kommen ins Schwärmen, die Propheten, die im eigenen Lande nichts gelten, aber von jedem Schlitzauge erkannt werden. „Die Japaner sind perfekt, wenn die etwas organisieren, klappt das 100prozentig. Wenn eine Verabredung mit einem Japaner nicht klappt, ist er tot. Japaner sind wie die Ameisen, sogar in der 17-Millionen-Stadt Tokio erkennen sie einen noch auf der Straße, nur weil man am Abend zuvor vor 10.000 Leuten ein Konzert gegeben hat. Die japanischen Musikmanager setzen dich in den 300 Stundenkilometer schnellen Hochgeschwindigkeitszug und fahren dich von einem Interview zum anderen. Es ist Wahnsinn. Die Konzertveranstalter haben sich sogar gegen den nahenden Tod des Kaisers versichert.“

An Wahnsinn grenzt auch die Erzählwut der Planets, die wie aufgeregte Kinder, die zum ersten Mal ihr Dorf verlassen haben und nun über Kaufhausrolltreppen staunen, von ihren Abenteuern im Land der aufgehenden Musikersternchen berichten. Sie scheinen darüber auch vergessen zu haben, wo sie herkommen. „Wir sind Außerirdische, wir sind weder Deutsche noch Japaner, wir sind hier nur notgelandet, um das transglobale Denken einzuführen, wir sind eine intergalaktische Band, mit uns wird in Japan ein Experiment gemacht“, berlinert Gitarrist und Sänger Mik Moon. Leichtgläubigen Musikjournalisten kann man so etwas gefahrlos erzählen, besonders, wenn einem gerade „der Raumgleiter abgebrannt ist“. Vielleicht sollten sich die interstellaren Musiker aber doch bald einen Bandpsychologen in ihre japanische Crew berufen, bevor es zu spät und ist sie sich noch für die amerikanischen Challenger-Verglühflüge anmelden. Bei solchen Experimenten sollten sie Nina Hagen den Vortritt lassen, die ständig von Ufos beobachtet wird.

Daß Popmusiker nicht mehr recht zwischen eigenem Image und persönlicher Realität unterscheiden können, ist so außergewöhnlich nicht, aber auf dem hiesigen Musikpflaster werden die Planets sicher schnell auf den verdreckten Boden zurückgeworfen, wer soll ihnen hier auf der Straße hinterherkreischen, die Senatsrockfans vielleicht?

„Die Japaner kucken einen schon komisch an, wenn man keine Schlitzaugen hat. Dann fotografieren sie einen sofort und wollen ein Autogramm haben.“ Vielleicht sollten die Planets ihr intergalaktisches Outfit in Berlin in den Müll werfen und sich hier als Japaner verkleiden, mit Kamera und zugenähten Augenwinkeln.

Aber alles der Reihe nach, jetzt erscheint erst einmal ihre neue LP, in Japan zusätzlich mit drei Titeln, die in dieser Galaxis schon auf der vorherigen Platte zu haben waren. Wenn alles gut geht, werden sie im nächsten Jahr auf eine Japantournee gehen und dann sind sie weltberühmt. Was übrigens schon einmal einer deutschen Band gelang, die im heimischen Dorf Hannover niemand so recht ernst nehmen wollte. Die Heavy-Metal-Chauvis von den Scorpions füllen in Japan jedes Fußballstadion, in Hannover hat man noch nicht einmal eine Straße nach ihnen benannt. Das kann den Planets nicht passieren, immerhin gibt es in Berlin schon heute eine Planetarium. Als die Salzstangen zu Ende gehen und man auf den billigeren Sekt zurückgreift, wird noch schnell die neue Single Bright Lights herumgereicht, die in B-52-Manier mit Wera Wonders Stimmenvibrator den Himmel über Japan erobern soll. In einem Comic, den die Planets in Japan unters Volk brachten, fliegen die Fünf in ihrem Raumgleiter auf die Erde zu, landen entsetzt in Japan und stehen plötzlich auf der Bühne. Was die Außerirdischen singen, läßt sich nicht mitteilen, die Sprechblasen sind auf Japanisch.

Vorm Swing wartet weder eine Raumpatrouille noch eine schwarze Limousine auf unsere Helden aus dem All, auf dieser Seite des Planeten müssen sie einstweilen noch mit der U -Bahn durch den Raum gleiten.

Andreas Becker

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen