: Mitbestimmung
■ Zurück zur Gruppenuniversität
„Wir haben eine autonome Universität geschaffen, die Realität bleiben kann!“ jubelt die an der „BeFreiten Universität Berlin“ erscheinende studentische Zeitung 'Besetzt‘ in ihrer Ausgabe vom 10.Dezember. Tatsächlich: Binnen weniger Tage haben tausende StudentInnen, zumeist jüngere „unerfahrene“ Semester, eine Entscheidungsstruktur entwickelt, die nach dem Räteprinzip funktioniert. So wundert es nicht, daß im Mittelpunkt der Forderungen an die Uni-Leitung und den Wissenschaftssenat die nach studentischer Mitbestimmung steht. „Viertelparität“ heißt der gemeinsame Nenner, auf den man die unterschiedlichen Vorstellungen bisher bringen konnte. Also jeweils 25 Prozent für Studenten, Professoren, Mittelbau und universitäre Dienstkräfte und damit zurück zur Reform-Uni Anfang der 70er Jahre, die damals mit einer Drittekparität startete.
Seit die Freie Universität im Jahre 1969 eine demokratische Verfassung bekam und die Interessen nicht-professoraler Gruppen Berücksichtigung fanden, bastelte das rechte Ordinariat am Rollback herum. Schon 1973 konnte die Professorenschaft, die sich in den entscheidenden Gremien der Hochschule in der Minderheit sah, einen Erfolg verbuchen. Das Bundesverfassungsgericht schrieb vor, daß die Professoren in wichtigen Fragen nicht von einer Koalition von Studenten, Mittelbau und Dienstkräften überstimmt werden durften. 1978 veränderte die Berliner SPD, damals noch an der Macht, die akademische Sitzverteilung. Die Profs lagen in den Fachbereichen und im akademischen Senat wieder vorn.
Als die CDU 1982 die Wahlen gewannen, wurde ruckzuck ein neues Wahlverfahren zum Konzil durchgepeitscht. Die Hochschullinke war ausgehebelt, zwei Konservative Heckelmann und Fricke - wurden Präsidenten der FU und der TU. Mit der Gruppenuniversität wurde 1986 endgültig Schluß gemacht, als das Berliner Hochschulgesetz novelliert wurde. Seitdem können sich die Professoren auf eine satte 14:11 Mehrheit im Akademischen Senat (AS) verlassen. In den Instituten durften die StudentInnen allenfalls noch zuhören - im Konzil heißt es seitdem 31 zu 30 für das Ordinariat.
Die erneute Demokratisierung der Hochschule wird nicht im Scharmützel zwischen BeFreiter und Freier Universität entschieden. Selbst wenn die Uni-Leitung etwas wagen wollte, käme sie nicht weit. Die Besetzung der Gremie-Uni wird im Wissenschaftssenat gemacht -, und eine Novellierung der Novellierung steht dort nicht auf der Tagesordnung. Der Wissenschaftssenat fürchtet für die bevorstehende heiße Phase des Wahlkampfes die Fortsetzung der studentischen Unruhen wie der Teufel das Weihwasser. Bis jetzt kann er sich aber auf Weihnachten verlassen - auch protestierende Studenten haben Familie. Ob die BeFreite Universität am ersten Januar immer noch befreit sein wird, ist deshalb mehr als fraglich.
CC Malzahn
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