piwik no script img

Uni: „Bloß kein Funktionärsstreik“

■ 11 von 12 Fachbereichen inzwischen für Streik nach den Weihnachtsferien / Hochschullehrer reagieren auf Störungen des Vorlessungsbetriebs z.T. mit „massivem Druck“ / Uni-VV selbstkritisch gegenüber Männer-Dominanz und Polit-Funktionären

Zur zweiten Vollversammlung innerhalb von drei Tagen trafen sich gestern rund 600 StudentInnen in der Uni-Mensa. Bereits am Montag hatte eine Uni-Vollversammlung Aktionstage gegen die Verschlechterung ihrer Studienbedingungen, gegen überfüllte Hörsäle, unzureichende Bafög

Förderung und schlecht ausgestattete Bibliotheken bis zu den Weihnachtsfeiertagen beschlossen und einen Streik unmittelbar nach den Ferien angekündigt. Gestern nun berichteten Vertreter der einzelnen Fachbereiche über die Diskussionsergebnisse in ihren Studiengängen. Ergebnis: Von 12 Fachbereichen haben sich inzwischen 11 für einen Streik im neuen Jahr ausgesprochen. Allein eine mäßig besuchte Vollversammlung der Elektrotechnik- und Physik-Studenten sah sich angesichts des „noch geringen Mobilisierungsgrades“ nicht in der Lage, schon jetzt für einen Streik zu stimmen.

Schwierigen Diskussionen über Notwendigkeit und Erfolgsaussichten eines Streiks sahen sich auch die Biologie - und Chemie-Studenten gegenüber. Auf ihre Versuche, Lehrveranstaltungen zu hochschulpolitischen Debatten umzufunktionieren, hätten einzelne Hochschullehrer mit „massivem Druck“ reagiert und „Sanktionen bei jeder Störung des Vorlesungsbetriebs“ angedroht, berichteten Vertreterinnen des Fachbereichs 2. Auch gestern waren StudentInnen durch Seminare und Vorlesungen gezogen, um den üblichen Lehrbetrieb zugunsten einer allgemeinen Streikde

batte außer Kraft zu setzen.

Nach zwei Aktionstagen zeigen sich Konflikte allerdings nicht nur zwischen streikenden StudentInnen und vorlesenden ProfessorInnen. Auch an der bisherigen Organisation der Aktionstage selbst wurde auf der gestrigen Vollversammlung Kritik laut. „Von zehn Redebeiträgen werden hier neun von Männern gehalten, als ob an dieser Universität nicht genug Scheiße gerade gegenüber Frauen abläuft“, kritisierte eine Rednerin unter großem Beifall die männliche Dominanz unter Versammlungsrednern und im spontan gebildeten Streikbüro. Inzwischen hat eine Frauen-AG ein eigenes Büro im GW 2 besetzt (Raum B 2860 „richtig schön mit Fenster“) und will eigene Arbeitsgruppen und Aktionen anregen.

Strittig ist nach zwei Aktionstagen auch der Charakter des Streiks: Geht es nur um mehr „Kohle“ oder auch um andere Inhalte und Arbeitsformen an der Uni? Kritik gab es schließlich auch am zentralen „Streikbüro“, das sich als Info-Zentrale unmittelbar, aber unautorisiert nach dem VV -Streikbeschluß vom Dienstag gebildet hatte. „Wenn wir eines nicht wollen, ist das ein Streik der hochschulpolitischen

Funktionäre“, zweifelte einer der Debattenredner die basisdemokratische Legitimation des Streikbüros an. Das will die bisherige Mannschaft des Streikbüros je

doch offensichtlich auch nicht. Gleich zu Beginn der VV gaben sie die Mikrofongewalt an zwei freiwillige Versammlungsleiterinnen ab, „damit hier nicht im

mer die gleichen Leute reden“. Das Streikbüro selbst soll allmählich ergänzt und ersetzt werden durch gewählte Vertreter der einzelnen Fachbereiche.

K.S.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen