: „Aufbruch '88“ noch vor Silvester
Die Urabstimmung bei den Grünen kann steigen / Initiatoren der „Aufbruch-Gruppe“ erhalten Zustimmung von 120 Preisverbänden / Papierschlacht bis zum 31.März ■ Aus Bonn Charlotte Wiedemann
Knapp vor Silvester hat es der „Grüne Aufbruch '88“ nun doch geschafft, die Jahreszahl in seinem Namen nicht dem Gespött preiszugeben und eine Urabstimmung in der Partei durchzusetzen. Ein Jahr, nachdem die Initiative erstmals an die Öffentlichkeit trat, können die Initiatoren jetzt die Zustimmung von 120 Kreisverbänden für ihr Anliegen vorlegen und haben damit das in der Satzung vorgeschriebene Drittel -Quorum erreicht, in der Endphase mit Unterstützung der Realos. Nach den Vorstellungen des „Aufbruchs“, über die jetzt der grüne Bundeshauptausschuß befinden muß, sollen alle Strömungen bis 31.März ihre Manifeste fertigstellen; in den folgenden drei Monaten sollen die Mitglieder dann durch Abstimmung über diese Papiere „den künftigen politischen Kurs der Partei“ entscheiden. Das Ergebnis müsse sich, so erläuterte Hannegret Hönes gestern, in der Wahlaussage für die Bundestagswahl und in der Kandidaten-Aufstellung niederschlagen. Da jedes Manifest zur Abstimmungsreife 500 Unterschriften braucht, wird sich die Papierschlacht nach Ansicht des Bremers Ralf Fücks auf die „relevanten Positionen in der Partei“ reduzieren.
Bisher haben allerdings nur „Aufbruch„-, Realo- und ökolibertäre Manifest-Entwürfe vorgelegen; Ökosozialisten/Radikalökologen („Fundis“) und die undogmatischen Linken lehnten es ab, über die Politik der Grünen per Kreuzchen-Machen befinden zu lassen. Nun aber, so meint Ralf Fücks, könne sich der Urabstimmung „keiner entziehen, der künftig noch eine Rolle bei den Grünen spielen will“. Ob die sogenannten Fundis im neuen Bundesvorstand vertreten sein sollten, hängt für Fücks u.a. anderem davon ab, ob sie sich an dem mit der Urabstimmung beabsichtigten „konstruktiven Prozeß“ beteiligen. Von der Gruppe der undogmatischen Linken fordern die Aufbruch -SprecherInnen, sie müßten sich von den Fundis „politisch und programmatisch emanzipieren“, damit in der Partei eine „handlungsfähige Mehrheit“ entstehen könne.
Daß sich die Strömungen bei den Grünen im zurückliegenden Jahr differenziert haben, rechnet sich die Aufbruch-Gruppe als eigenen Erfolg an. Europa-Kandidat Graefe zu Baringdorf: „Die Spaltungsgefahr gibt es nicht mehr, denn keine Gruppe hat die Kraft, die Partei zu spalten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen