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Genschers Offensive

Zur Rolle der BRD auf der Chemiewaffenkonferenz  ■ K O M M E N T A R E

Genscher hat seine Rolle in Paris professionell gespielt. Angereist als Buhmann im Libyen-Konflikt, ging er vor den Außenministern in die Offensive und bot den Amerikanern eine Lösung an, die in deren Augen weit über das Ziel hinausschießt. Umfassende weltweite Vor-Ort-Kontrollen der chemischen Industrie auf Grundlage eines Produktions-, Lagerungs- und Einsatzverbotes für chemische Waffen - dieser Vorschlag wird von den USA seit einem Jahr sabotiert.

Darüber hinaus ist es Genscher in seinen Gesprächen mit Shultz über den Libyen-Handel gelungen, den US-Außenminister auf eine Formulierung festzulegen, an der die Amerikaner sich die Zähne ausbeißen werden. Man sei, so Genscher, übereingekommen, daß ein illegales Verhalten bundesdeutscher Firmen nicht nachweisbar sei. Die Betonung dieses Agreements liegt auf dem Wort illegal. Der gesetzliche Status quo läßt ein Exportverbot diverser Anlagen oder Komponenten, die letztlich auch für die Herstellung chemischer Waffen genutzt werden könnten, offenbar überhaupt nicht zu. Die einzig wirksame Antwort auf dieses Dilemma ist die von Genscher geforderte weltweite vertragliche Regelung, die rigide Vor -Ort-Kontrollen in allen chemischen Erzeugerländern vorsieht.

Die US-amerikanische Forderungen kaschieren dagegen nur notdürftig ihre ureigensten Interessen. Da die heimische Industrie von internationalen Kontrollen verschont werden soll, soll statt dessen eine Art Comecon-Liste für Lieferungen in die Dritte Welt her. Angesichts der Erfahrungen westeuropäischer Firmen im ähnlich kontrollierten Osthandel ist es nur zu verständlich, daß die Bundesregierung sich gegen ein solches US-Diktat zur Wehr setzt.

Jürgen Gottschlich

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